21.03.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Fischer in höchster Erklärungsnot

Deutscher Ex-Botschafter macht Visa-Politik für Missbrauch verantwortlich

Berlin (dpa). In der Visa-Affäre wird die Lage für Außenminister Joschka Fischer (Grüne) immer schwieriger. Erstmals kritisierte ein hochrangiger Botschafter die Visa-Politik Fischers.

Der frühere deutsche Botschafter in Moskau, Ernst-Jörg von Studnitz, machte die unter Fischer eingeleitete Liberalisierung der Visa-Praxis des Auswärtigen Amts (AA) für den Visa-Missbrauch mitverantwortlich. »Es ist deutlich geworden, dass die Prüfdichte nicht ausreichte und dass viele Leute mit windigen Begründungen durchschlüpften«, sagte von Studnitz in Berlin.
Er kritisierte Fischer auch persönlich. Auf die Frage, ob sich der Minister ausreichend mit der Visa-Politik befasst habe, sagte von Studnitz: »Rückschauend würde man sagen: Nein.« Von Studnitz war von 1995 bis Juni 2002 Botschafter in Moskau.
Die Union fühlte sich durch die neuen Informationen in ihren Vorwürfen gegen Fischer bestätigt. Der Unions-Obmann im Visa-Untersuchungsausschuss, Eckart von Klaeden, sagte: »Die Äußerungen des Botschafters bestätigen unseren Vorwurf, dass die Erlasse des Auswärtigen Amts den Visa-Missbrauch hervorgerufen und die Schleuserkriminalität befördert haben.«
Dem »Spiegel« sagte von Studnitz zu der im Jahr 2000 eingeleiteten neuen Visa-Politik des AA: »Es war der Versuch, grüne Ideologie in praktische Politik umzusetzen.« Insbesondere der Volmer- Erlass habe illegale Einreise leichter gemacht. Kern des inzwischen revidierten Erlasses des früheren AA-Staatsministers Ludger Volmer (Grüne) war, »im Zweifel für die Reisefreiheit« zu entscheiden.
CDU-Chefin Angela Merkel erklärte, aus dem Kölner Schleuserprozess ergebe sich auch noch der Vorwurf einer Behinderung der Justiz durch das AA. »Das ist beschämend.« Der Druck auf Fischer habe sich »erheblich erhöht«. Merkel bezog sich auch auf Aussagen des Richters und des Oberstaatsanwalts vor dem Untersuchungsausschuss am vergangenen Donnerstag.
Das AA wies dies zurück. Außenamts-Sprecher Walter Lindner sagte gestern, das Amt habe in dem Kölner Prozess alle erforderlichen Aussagegenehmigungen erteilt. Wegen der Bedrohung einer Zeugin sei es lediglich in einem Fall zu einer verzögerten Erteilung gekommen - allerdings nur aus Gründen der Fürsorge gegenüber der Beamtin.

Artikel vom 21.03.2005