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Bauchschuss - aber
alle reden drumherum

Schwieriger Prozess um versuchten Totschlag

Bielefeld (uko). Wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung muss sich der Deutsche Ibrahim Y. verantworten, nachdem er in seiner Wohnung eine Prostituierte niedergeschossen hat. Die Frau (25) überlebte mit lebensgefährlichen Verletzungen. Am Donnerstag legte der 55-Jährige ein umfassendes Geständnis ab.

Das Schwurgericht des Landgericht kämpft einmal mehr mit der leidvollen Situation, dass sowohl der türkischstämmige Angeklagte als auch das polnische Opfer nicht ohne Hilfe eines Dolmetschers vernommen werden können. Zudem nehmen es die Beteiligten entweder mit der Wahrheit nicht so genau oder beantworten konkrete Fragen nur ausweichend. Der Angeklagte gab gestern immerhin zu, in der Nacht zum 19. September 2004 in seiner Wohnung Auf dem Niederen Esch drei Pistolenschüsse auf die Prostituierte Sabina G. abgegeben zu haben.
Die Umstände der Bluttat indes liegen auch nach dem ersten Tag des Prozesses weiter im Dunkeln. Abends hatte der türkischstämmige Mann Wein getrunken und war dann mit einem Taxi in das Bordell »Oase« in Detmold gefahren. Gegen 4.30 Uhr kehrte Ibrahim Y. mit zwei Prostituierten im gleichen Taxi in seine Bielefelder Wohnung zurück. Dort habe man gemeinsam Wein getrunken, nachdem er den Frauen Geld gegeben habe. Zu entsprechenden Leistungen sei es nicht gekommen, also habe er erneut bezahlen sollen. Darüber sei es zum Streit gekommen. Ibrahim Y. griff nach einer Pistole vom Kaliber 7,65 und feuerte dreimal.
Sabina G. hatte sich mit drei Bauchverletzungen - Leber und Dünndarm wurden perforiert - auf die Straße geschleppt und war von Pasanten gefunden worden. Unfassbar war die Reaktion ihrer Arbeitskollegin: Die 54-jährige Prostituierte war nach Detmold gefahren und hatte erst von dort die Polizei alarmiert. Am Mittag des folgenden Tages stürmte eine Einheit des Spezialeinsatzkommandos der Bielefelder Polizei die Wohnung des Schützen, nahm den Mann fest.
Opfer Sabina G. mochte sich gestern überhaupt nicht an sexuelle Handlungen erinnern. Man habe nachts trotz aller Absprachen in der Wohnung gesessen und lediglich Wein getrunken und geredet. Allerdings gab die Polin zu, von vornherein eine Aversion gegen den Mann gehegt zu haben: »Ich habe Angst vor Türken.« Im Übrigen habe der 55-Jährige »die ganze Zeit« eine Pistole im Hosengürtel getragen. Der Prozess wird fortgesetzt.

Artikel vom 18.03.2005