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Annäherung beim Job-Gipfel

Regierung und Opposition grundsätzlich einig über Reformmaßnahmen

Berlin (AP/dpa). Nach dem eindringlichen Appell von Bundespräsident Horst Köhler haben sich Regierung und Opposition im Grundsatz auf Maßnahmen für mehr Wachstum und Arbeitsplätze geeinigt.
Bundeskanzler Gerhard Schröder und die Unionsspitze vereinbarten gestern auf ihrem Job-Gipfel, Unternehmen durch Steuersenkungen und Bürokratieabbau um Milliardenbeträge zu entlasten sowie den Stellenmarkt weiter zu modernisieren.
Keine Einigung gab es bei Fragen des Tarifrechts, bei Arbeitnehmerrechten und beim Kündigungsschutz. Als Ergänzung zu seiner Agenda 2010 präsentierte Schröder in einer Regierungserklärung kurz vor dem Spitzengespräch ein Maßnahmenpaket für Wachstum und Jobs. Er will die Körperschaftssteuer, die Konzerne zahlen, von 25 auf 19 Prozent reduzieren und den Mittelstand entlasten. Die Zuverdienstmöglichkeiten für Empfänger des neuen Arbeitslosengeldes sollen erweitert werden. »Wir sind gemeinsam der Auffassung, dass die Vorschläge sinnvoll sind und umgesetzt werden sollen«, sagte Schröder nach dem Treffen mit den Parteivorsitzenden Angela Merkel (CDU) und Edmund Stoiber (CSU). Beide Seiten vereinbarten, unter Beteiligung der Länder Details auszuhandeln und einen Neuanlauf zur Föderalismusreform zu wagen.
Schröder sagte, man sei »ein gutes Stück vorangekommen«. Es gebe »Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede«. Insgesamt sei er zuversichtlich. Er glaube, dass die Union den »ernsthaften Willen zur Einigung« habe. Merkel meinte: »Wir bekommen vielleicht einige Dinge auf die Reihe.«
Die Unionsführung begrüßte Schröders Plan, die Gewerbesteuer bei der Ermittlung der Gesamtsteuerlast eines Betriebes stärker mindernd anzurechnen. Die Erbschaftsteuer soll entfallen, wenn der Neubesitzer das geerbte Unternehmen mindestens zehn Jahre weiterführt.
Stoiber und Merkel machten aber klar, dass es sich nur um »Zwischenschritte« zu einer großen Steuerreform handeln könne, die auch eine Rechtsvereinfachung und Steuersenkungen für Mittelständler und Privathaushalte beinhalten müsse. Der Kanzler warnte den unionsbeherrschten Bundesrat vor »Gewürge« über das Paket, das auch ein zwei Milliarden Euro teures Investitionsprogramm für Verkehrsprojekte enthält. Die von Schröder angekündigten Steuererleichterungen kosten den Staat sechs Milliarden Euro. Er akzeptierte die Forderung der Union, die Mindereinnahmen nicht durch eine »weitere Neuverschuldung« zu bezahlen. Schröder will nach eigenen Angaben Steuerschlupflöcher schließen, Subventionen abbauen, die Verlustverrechnung begrenzen sowie die Dividenden- und die Mindestgewinnbesteuerung verschärfen.
Übereinstimmung zeigte sich auch bei den Hartz-IV-Korrekturen. Merkel und Stoiber bestanden aber auf einer Lockerung des Kündigungsschutzes, staatlichen Eingriffen ins Tarifrecht und untertarifliche Entlohnung für Langzeitarbeitslose bei Wiedereinstieg ins Berufsleben.
Diese Punkte lehnte Schröder als überflüssig und ungerecht ab. Die Senkung der Körperschaftssteuer werde »den einen oder anderen schmerzen«, müsse aber sein, um den Standort Deutschland zu stärken.
Als Gegenleistung verlangte Schröder von der Wirtschaft, Arbeitsplätze zu schaffen und in Deutschland zu investieren. Im Bundestag hatten Merkel und besonders Stoiber den Kanzler scharf angegriffen. »Sie sind der Herausforderung nicht gewachsen«, sagte der CSU-Chef.
FDP-Chef Guido Westerwelle bemerkte, das Treffen im Kanzleramt sei kein Reformgipfel, sondern »bestenfalls ein Hügelchen« gewesen. Die Ergebnisse seien zu schwach, um Deutschland aus der katastrophalen Situation herauszuführen.
Die Arbeitgeber warfen Schröder vor, kein überzeugendes Gesamtkonzept für die notwendigen Strukturreformen in Deutschland vorgelegt zu haben. Die Gewerkschaften begrüßten die Regierungserklärung als Schritt in die richtige Richtung und als Signal an die Arbeitgeber zu investieren.
Auf Kritik und Skepsis stieß bei IG Metall und der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di die geplante Senkung der Unternehmensteuern.
Stoiber sagte zum geplanten Neuanlauf zur Föderalismusreform, er sei »verhalten optimistisch«, dass ein Gespräch mit dem Co-Vorsitzenden der Kommission, SPD-Chef Franz Müntefering nach Ostern erfolgreich sein werde. Er stellte aber klar, dass er weiter auf der alleinigen Zuständigkeit der Länder für den Bildungsbereich pochen werde.

Artikel vom 18.03.2005