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Frauenklöster
prägten Kultur

Ausstellung »Krone und Schleier«

Essen/Bonn (dpa). Wie antike Gelehrte sind ein Dutzend disputierender Ordensfrauen auf einem 1000 Jahre alten Steinrelief aus dem Kloster Essen-Werden dargestellt. Das Relief gehört zur Ausstellung »Krone und Schleier«.

Die würdigen Damen, die Bücher in Händen halten und ins Gespräch vertieft sind, wollen so gar nicht zu dem Bild passen, das sich die Moderne von einem ach so finsteren Mittelalter gemacht hat. »Krone und Schleier« zeigt erstmals umfassend die bedeutende Rolle mittelalterlicher Frauenklöster für die Entwicklung der Kultur Europas.
600 Leihgaben aus dem Jahrtausend zwischen 500 und 1500 belegen vom 19. März bis 3. Juli im Ruhrlandmuseum Essen und in der Bonner Bundeskunsthalle in einer Schau der Superlative die Tätigkeit der Nonnen als Schreiberinnen, Buchillustratorinnen oder Schöpferinnen liturgischer Textilien. Oft waren Äbtissinnen auch Auftraggeber der bedeutenden Werke, die aus 150 Sammlungen der Welt in die Doppelausstellung gegeben wurden.
Die Mystikerin und Gelehrte Hildegard von Bingen (1098-1179), die einzige bis heute populäre mittelalterliche Klosterfrau, deren Gebetbuch erstmals öffentlich zu sehen ist, hatte viele unbekannte kluge Schwestern. Eine Sammlung früher Schreibgeräte oder kostbarster illustrierter Evangeliare beweist, dass im »Schonraum« Kloster das Lesen und Schreiben für Frauen nichts Ungewöhnliches war. Genauso wenig wie das Diskutieren, wie die großformatige weibliche Stickarbeit der »Philosophiedecke« aus einem niedersächsischen Stift (um 1516) zeigt.
Ehrfurcht erheischt in der Essener »Schatzkammer« eines der wertvollsten Bücher der Welt, das Gold auf Purpur geschriebene Evangeliar aus Brescia, das wohl Ostgotenkönig Theoderich im 6. Jahrhundert in Auftrag gegeben hat. Zu den vielen Schätzen von Weltrang gehört ein Kuppelreliquiar aus einer Kölner Werkstatt (um 1185) oder das fein geschnitzte Runenkästchen-Reliquiar aus dem Stift Gandersheim.
Winzige Christkindl-Wiegen zur privaten Verehrung in der Nonnen-Zelle stehen die derben Geißeln aus Ketten und Kordeln gegenüber, mit denen sich die Nonnen - zumindest symbolisch - gegen alle Versuchungen selbst kasteien sollten.

Artikel vom 17.03.2005