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Machtposen und Eitelkeit

40 Porträtmaler hielten den preußischen Hof für die Nachwelt fest

Von Dietmar Kemper
Porta Westfalica (WB). Die Fotografie bedeutete das Ende der Porträtmaler. Bis um 1900 hatte der Pinsel Menschen für die Nachwelt festgehalten. In Museen und Schlössern hängen die Bildnisse von Herrschern, Offizieren und wohlhabenden Kaufleuten.
Der junge Friedrich der Große, um 1740 gemalt von Antoine Pesne. Als Symbol für die Herrschaft des Preußenkönigs dient der Kommandostab. Das Originalbild hängt im Preußen-Museum in Minden.

»Am preußischen Hof unterhielt Antoine de Pesne ein Atelier mit 40 Malern«, weiß Oliver Glißmann. Der 37-jährige Kunsthistoriker aus Porta Westfalica erläutert bei Führungen wie im Preußen-Museum in Minden die Formensprache der Künstler, die ihre Auftraggeber groß herausbrachten, selbst aber meist im Hintergrund blieben. Antoine Pesne zählte in der Zeit von Friedrich dem Großen zu den berühmtesten Porträtmalern. Wieviele Bilder von ihm selbst stammen, ist schwer zu sagen. »Die Schüler malten ganz in seinem Stil und der Meister guckte nur noch drüber«, sagte Glißmann dieser Zeitung.
Als Pesne an der Staffelei stand, hatte sich der Charakter der Bildnisse gewandelt. War zuvor die niederländische Porträtkunst mit den ernsten Gesichtern, der schwarzen Tracht und den weißen Kragen prägend gewesen, bildete sich im Rokoko das farbige, opulente Porträt heraus. Der Zeitgeist wollte es bunt statt spartanisch. Wenn sich Herrscher malen ließen, entstanden offizielle Porträts. »Sie wurden kopiert und dienten als Vorlage für Radierungen«, erklärt Glißmann. Die Untertanen sollten den Herrscher so sehen, wie er wahrgenommen werden wollte.
Auf den Fürstenbildnissen sind oft Orden auf Tischen ausgebreitet, im Hintergrund Säulen, steinerne Löwen und Schlösser zu sehen. »Der Hermelinmantel sollte königliches Geblüt bezeugen, der Stammsitz der Vorfahren ausdrücken, dass der Herrscher die Tradition fortsetzt«, berichtet Glißmann. Kunsthistoriker unterscheiden zwischen Brust-, Ganz- und Kniestücken. Beim ersteren ist alles auf den Kopf konzentriert, bei letzterem bricht die Darstellung an den Beinen ab. Könige hielten die Abbildung des ganzen Körpers oft für obligatorisch, um ihre politische »Größe« zu betonen. Bei Bildern des französischen Königs Ludwig XIV. fällt die gezierte Beinhaltung auf. »Macht man das heute nach, kann man nicht stehen«, weiß Glißmann.
Weil der Adel als Vorbild galt, ließen sich später auch wohlhabende Kaufleute malen. Anfang des 18. Jahrhunderts spottete der Franzose César-Pierre Richelet: »Der Porträtmaler hat überhaupt keine Schwierigkeiten, seinen Kessel am Kochen zu halten; es gibt nämlich keine einzige wohlhabende Bürgersfrau, die nicht kokett genug wäre, von sich ein Bildnis besitzen zu wollen.« Als die Fotografie aufkam, wurde Eitelkeit billiger.

Artikel vom 19.03.2005