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Historisches Wahldebakel:
Simonis scheitert viermal

Hängepartie in Schleswig-Holstein - Spekulationen um Rücktritt

Kiel (dpa). Heide Simonis (SPD) hat gestern bei der Wahl um das Ministerpräsidenten-Amt in Schleswig-Holstein ein beispielloses Debakel erlitten. Die bisherige Regierungschefin (61) fiel in vier Wahlgängen durch. Auch CDU-Gegenkandidat Peter Harry Carstensen (58) blieb ohne Mehrheit.

Damit ist vorerst offen, wer Schleswig-Holstein künftig regiert. Bis zur nächsten Abstimmung bleibt die rot-grüne Landesregierung geschäftsführend im Amt. Die nächste reguläre Landtagssitzung wurde für den 27. April einberufen. Knapp zwei Monate vor der wichtigen Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen bedeutete die Simonis-Schlappe auch einen Rückschlag für Rot-Grün im Bund.
In mehreren Abstimmungen erhielt Simonis wie ihr Gegenkandidat Peter Harry Carstensen (CDU) 34 Stimmen bei einer Enthaltung. Das war eine Stimme weniger, als SPD, Grüne und Südschleswigscher Wählerverband (SSW) an Landtagssitzen ausweisen. Simonis ließ ihre politische Zukunft zunächst offen. Es wurde aber darüber spekuliert, dass die Regierungschefin ihr Amt niederlegen und den Weg für eine große Koalition frei machen könnte. Ursprünglich wollte Simonis eine vom SSW unterstützte rot-grüne Koalition bilden.
Die Landtagssitzung war mehrfach für Beratungen der Fraktionen und des Ältestenrates unterbrochen worden. Die CDU hatte die Wahl vor einem Monat gewonnen, für eine Koalition mit der FDP hatte es aber nicht gereicht.
Die Bundes-CDU verlangte ein Eingreifen von Bundeskanzler Gerhard Schröder und des SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering. Die Vorgänge fördern nach den Worten von CDU-Generalsekretär Volker Kauder die Politikverdrossenheit und beschädigten die Demokratie insgesamt. Die SPD-Spitze müsse dieses »peinliche Schauspiel« schnell beenden.
Der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle zeigte sich »hocherfreut«. Er begrüßte, »dass es im rot-grünen Sodom einen Gerechten gab, der sich an der Manipulation des Wählerwillens nicht beteiligen wollte«.
Peter Harry Carstensen hatte der SPD nach der gescheiterten Wahl erneut angeboten, über eine große Koalition zu verhandeln. Die vom SSW tolerierte rot-grüne Koalition sei schon am ersten Tag nicht stabil gewesen, erklärte Carstensen. Er wolle Ministerpräsident werden, unterstrich Carstensen die Grundvoraussetzung für eine denkbare große Koalition.
Spekulationen über mögliche »Abweichler« aus der SPD hatten bis zuletzt angehalten. Simonis hatte vor der Wahl stets betont, dass sie trotz der knappen Ein-Stimmen-Mehrheit eine stabile Regierung erwarte.
Seite 4: Hintergrund/Leitartikel

Artikel vom 18.03.2005