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Ein letztes Gefecht hielt den Vormarsch für 36 Stunden auf

Anfang April 1945 rückten US-Truppen nach Paderborn und Wiedenbrück vor

Von Reinhard Brockmann
Bielefeld/Paderborn (WB). In den Ostertagen 1945 ging der Krieg zwischen Sauerland und Senne zu Ende. Eine letzte Panzerschlacht vor Paderborn verzögerte den US-Vormarsch gerade um 36 Stunden.
Eine WESTFALEN-BLATT- SerieFolge 9Bereits in dieser Reihe erschienen:13.01.Seltene Bilder einer Flucht17.01. Der lange Weg von Ostpreußen nach Ostwestfalen-Lippe22.01. Hitlers Gegner bis zuletzt26.01. Westfale gegen Auschwitz01.02. Die vielen Kinder, die auf der Flucht verloren gingen09.02. Via Dresden nach Westfalen11.02. Im Inferno von Dresden23.02. Bomben auf OWL-Bahnen
Davor, am 27. März 1945, erlebte Paderborn von 17.27 bis 17.55 Uhr seine schwärzeste halbe Stunde. 276 Lancaster-Bomber zerstörten mit 1378 Tonnen Spreng- und Brandbomben die Stadt zu 85 Prozent. Mit einem peitschenden Knall habe der Luftangriff begonnen, erinnert sich Georg Vockel. Als der damals Zwölfjährige aus dem Luftschutzkeller kam, sah er ein einziges Feuermeer: »Straßen gab es nicht mehr, nur noch Schuttberge neben Hausruinen.«
Brennendes Korn sei wie Funkenregen gleich Millionen glühender Käfer durch die Luft gewirbelt, Flammen schlugen über die ganze Straßenbreite. Auf Inseln inmitten der Brände sah Vockel Überlebende, die verzweifelt nach ihren Angehörigen riefen. Der damalige Generalvikar Friedrich Maria Rintelen beobachtete die riesige brennende Fläche von der Paderborner Hochfläche aus und notierte: »Diese Stadt ist nicht wieder aufzubauen.«
Fünf Tage später, als amerikanische Soldaten kampflos in das total zerstörte Paderborn einrückten, brannte es immer noch. Sie sollen sogar beim Löschen geholfen haben, obwohl sie nur knapp einer Niederlage entgangen waren. Tage zuvor hatten sie am 30. März, in der vielleicht letzten Panzerschlacht des Zweiten Weltkriegs hohe Verluste erlitten. Ihr General Maurice Rose fand dabei den Tod.
Seit Anfang März waren die Amerikaner nach Einnahme der Brücke von Remagen bogenförmig nach Osten vorgerückt, um über den Raum Paderborn-Wiedenbrück das Ruhrgebiet einzuschließen. Zwölf schwere deutsche Königstiger-Panzer erwarteten die US-Truppen südlich von Paderborn bei Borchen und Dörenhagen. Mit den letzten Treibstoff- und Munitionsreserven waren sie in Stellung gegangen und vernichteten in einem sinnlosen Gefecht 21 leichte Sherman-Panzer und etwa 20 gepanzerte US-Fahrzeuge.
Generalmajor Rose hatte sich im offenen Jeep einem deutschen Königstiger genähert. Er soll noch zum Ablegen der Waffen aufgefordert worden sein, dann wurde er vom Panzerkommandanten mit einer Maschinenpistole erschossen.
Neben Paderborn erreichten die US-Soldaten am 1. April auch Wiedenbrück und Rheda, aber noch nicht Gütersloh und Augustdorf. Am 2. April besetzten sie Stukenbrock. Im Kriegsgefangenenlager Stalag 326-VI-K übernahmen die Häftlinge das Kommando, Stunden später rückten US-Panzer auf das Gelände vor.
Zu diesem Zeitpunkt hatten weitere US-Verbände unter Umgehung der Städte - Lippstadt wurde ganz verschont - längst strategisch wichtige Linien eingenommen. Der spätere hohe NATO-Offizier Karl Otto Hoffmann notierte: »Die Amerikaner rollen über die Autobahn aus Richtung Westen in Richtung Rheda und Wiedenbrück mit gerichteten Panzerkanonen, ohne einen Schuss abzufeuern.« Hoffmann recherchierte später, dass zu diesem Zeitpunkt 2500 deutschen Soldaten, 1000 halbmilitärisch Ausgebildete und 10 000 Angehörigen des Volkssturms schätzungsweise 90 000 gut ausgerüstete US-Kräfte gegenüberstanden.
Schon am 24. März hatte eine zusammenhängende Verteidigungslinie nicht mehr bestanden. Auch der von den Amerikanern angenommene Aufbau einer neuen Frontlinie auf den Höhen der Egge und des Teutoburger Waldes kam nicht mehr zustande.

Artikel vom 17.03.2005