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Diskutierten über Ausbildungsprobleme im gewerblichen Bereich (von links): Daniel Joswieg, Swen Binner, Moderator Rainer Lux, Ortwin Goldbeck und Hans-Jürgen Raeder.Foto: Annemargret Ohlig

»Qualifikation reicht häufig nicht aus«

Podiumsdiskussion zum Thema Berufliche Ausbildung - mangelnde Grundlagen beklagt

Von Annemargret Ohlig
(Text und Foto)
Ummeln (WB). Die neuesten Zahlen sind erschreckende: Mehr als eine Million Arbeitslose in Nordrhein-Westfalen. Gleichzeitig klagten aber Handwerk und Wirtschaft - und das schon seit Jahren - sie fänden nicht die Auszubildenden, die sie brauchen.

Diese eigentlich nicht zueinander passenden Fakten stellte Rainer Lux, CDU-Landtagsabgeordneter und Moderator, der Diskussionsrunde »Ausbildungschancen in Handwerk und Wirtschaft« voraus. Eingeladen hatte zu diesem Gesprächskreis mit Fachleuten und »Betroffenen« beider Seiten die CDU Brackwede.
Wie sehr dieses Thema nicht nur den Ausbildern unter den Nägeln brennt, zeigte die große Resonanz bei den Gästen aus Mittelstand und Handwerk, sowie das kompetent besetzte Podium im Ummelner Gobazentrum der Firma Goldbeck. Neben Moderator Lux saßen dort »Hausherr« Ortwin Goldbeck und Hans-Jürgen Raeder, verantwortlich für die gewerblichen Auszubildenden im Unternehmen Goldbeck, Swen Binner (Geschäftsführer berufliche Bildung bei der IHK) sowie der Auszubildende Daniel Joswieg.
Die Pflicht zur Ausbildung habe die Wirtschaft auch in Zeiten, in denen es nicht schwunghaft aufwärts geht, betonte Ortwin Goldbeck. Schließlich brauche man gut ausgebildete Fachkräfte. Außerdem müssten junge Menschen in den Arbeitsprozess gebracht werden. Das Problem sei aber besonders im gewerblichen Bereich, dass die Qualifikation der Bewerber zu häufig nicht ausreiche.
Eine Aussage, die Hans-Jürgen Raeder aus seiner Bewertungserfahrung noch weiter präzisierte. »PISA passt genau - es sind zu geringe Grundlagen in Mathematik oder der deutschen Sprache da bei den Bewerbern. Und die Tendenz wird immer schlechter.« Inzwischen müsse in den Berufsschulen das nachgeholt werden, was in Haupt- und Gesamtschulen nicht gelungen sei.
Als aktuelles Beispiel führte Raeder an: Bei Goldbeck habe es für das kommende Ausbildungsjahr 60 Bewerbungen im gewerblichen Bereich gegeben. Nur bei Zweien seien die notwendigen Qualifikationen vorhanden gewesen, so dass sie fest eingestellt wurden. Jetzt hoffe man auf weitere Bewerber.
Ähnliche Gründe macht auch Swen Binner für die Misere verantwortlich. »Die Ausbildungsreife lässt weiter nach - es ist einfach nichts da«, betonte er. Gebe es gute Bewerber, dann bildeten die Firmen auch über die eigentlichen Zahlen hinaus aus. Binner regte darüber hinaus an, mehr Ausbildungsberufe für die eher praktisch begabten Jugendlichen zu schaffen und dabei zu einer zweijährigen Ausbildung überzugehen. Es habe sich beispielsweise bei dem Beruf Fachlagerist gezeigt, dass hier deutlich mehr ausgebildet werde.
Azubi Daniel Joswieg ging in der Diskussion ebenfalls mit seinen Altersgenossen ins Gericht. Viele junge Leute zeigten neben mangelnder Allgemeinbildung oft keine Lust am Arbeitsplatz. »Sie wollten eigentlich etwas anderes werden und nicht Handwerker.« Zudem seien für mittelständische Unternehmen die Ausbildungskosten im ersten und zweiten Ausbildungsjahr ein Problem.
Ein Punkt, den auch Anke Summer vom Gasthof Gröppel so sah. Durch das duale System seien die Azubis nur drei Tage am Arbeitsplatz. Zudem fehle es ihnen oft an Freundlichkeit und der Grundeinstellung zu dem ausgewählten Beruf.
Dass neben der mangelnden Qualifikation auch die Kosten der Ausbildung ein wesentlicher Hemmschuh sind, wurde gleich mehrfach angeführt. Goldbeck brachte es auf dem Punkt: »Wir wollen zwar mehr ausbilden, können dafür aber nicht mehr ausgeben.« Deshalb müsse bei der Ausbildungsvergütung zurückgerudert werden.
Das Fazit der Diskussion: Eine bessere Ausbildungsreife der Jugendlichen sei unabdingbar. Hier seien nicht erst die Schulen, sondern schon die Kindergärten gefordert. In erster Linie müssten jedoch die Eltern mehr in die Pflicht genommen werden. Sie müssen im Bereich der Schlüsselqualifikationen für die Weiterentwicklung ihrer Kinder sorgen. Die Schulen könnten keine »Reparaturbetriebe« sein.

Artikel vom 17.03.2005