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Kunststreit um
ein paar Socken

Lothar Schluckebier schließt Laden

Von Michael Evers
Kassel (dpa). Seine Socken machten den Kasseler Lothar Schluckebier weltbekannt: Als 1997 die umstrittene Leiterin der Kunstschau documenta X, Catherine David, Kassel als hässlich anprangerte, musste Schluckebiers Sockenladen in einer Unterführung als Beispiel herhalten.
Lothar Schluckebier warf documenta-Chefin Catherine David raus.

Aus Protest organisierten zwei Kasseler parallel zu der internationalen Kunstausstellung eine »sockumenta« und nahmen die undiplomatische Französin aufs Korn. Weil die unterirdische Passage zugeschüttet wird, räumt Schluckebier in dieser Woche seinen Laden.
Mit ihrer Kassel-Schelte löste David eine Krise bei der documenta aus und selbst die Absetzung der Kunstschau-Leiterin war kurzzeitig im Gespräch. »Ich habe keine Lust, gebetsmühlenartig zu wiederholen, dass Kassel scheusslich ist«, sagte sie über den Austragungsort der bedeutendsten Ausstellung moderner Gegenwartskunst weltweit. Die Stadt sei ein »herausragendes Beispiel der modernen Groteske«, fuhr sie fort und illustrierte dies mit Schluckebiers Sockenvitrine.
»Das war pure Dummheit«, meint der Ladeninhaber heute: »Sowas Lapidares wie Socken.« Als die Französin sich schließlich bei ihm im Laden habe entschuldigen wollen, sei es zu spät gewesen: »Die habe ich rausgeschmissen.«
Während David eine Welle der Empörung der Stadt- und Kunstverantwortlichen entgegenschlug, setzte Grafiker Wolfgang Fricke auf Ironie und rief die »sockumenta« ins Leben: Die Vitrinen rund um den Sockenladen von Schluckebier verwandelten sich in ein Museum, bei dem sich alles um Socken drehte und keine Möglichkeit ausgelassen wurde, die hochernste documenta samt ihrer Leiterin zu parodieren. Selbst der damalige hessische Ministerpräsident Hans Eichel (SPD) spendierte eine alte Skisocke und neben »sockumenta«-Postern ging auch eine »Sockenzeitung« in Druck.

Artikel vom 16.03.2005