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Der Autor hinter den Skandalen

Erste umfassende Biografie über Martin Walser erscheint am Freitag

Romane wie »Ehen in Philippsburg« machten Martin Walser bekannt.

Von Gisela Mackensen
Überlingen (dpa). An Schriftsteller Martin Walser (77) scheiden sich die Geister. Für die einen ist er einer der wichtigsten Autoren der deutschen Nachkriegsliteratur, ein Sprachvirtuose und die Verkörperung des öffentlichen Gewissens. Für die anderen ist er ein eitler Unruhestifter und streitlustiger Querulant, der mit kalkulierten Tabubrüchen provoziert.
Dem Autor will die erste umfassende Biografie auf die Spur kommen, die am Freitag erscheint. Geschrieben hat sie der Literaturkritiker Jörg Magenau (Jahrgang 1961). »Die Skandale sind wie Bahnschranken vor seinem Werk niedergegangen, das dahinter zu verschwinden droht«, meint er.
Das Buch erzählt den Weg von ersten Schreibversuchen bis zu Erfolgen und Ehrungen des Dichters der kleinen Leute und den Kampf ums Geld auf Grund der Angst zu verarmen.
Akribisch hat Magenau auf mehr als 600 Seiten Material zusammengetragen. Ausführlich beschreibt er die Freund- und Feindschaften zu Kollegen wie Uwe Johnson, Arno Schmidt, Max Frisch oder Günter Grass sowie zu den Literaturkritikern. Magenau nimmt Walser nach der skandalumwitterten Dankesrede in der Paulskirche für den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 1998 in Schutz. Er verweist auf die lebenslange Auseinandersetzung Walsers mit Auschwitz und widerlegt die angebliche Schlussstrich-Mentalität. Auch verteidigt er Walser gegen den Vorwurf des Antisemitismus nach dem Roman »Tod eines Kritikers« 2002. Walser verlange für sich das Recht, literarisch und poetisch, also emotional und nicht politisch korrekt, seine Befindlichkeit mitzuteilen.
Jörg Magenau: Martin Walser. Eine Biographie, Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 624 Seiten, 24,90 Euro ISBN 3-498-04497-4

Artikel vom 16.03.2005