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»Sorgerecht den
Eltern entziehen«

Jugendforscher verurteilt Schulboykott

Von Ernst-Wilhelm Pape
Paderborn (WB). Den sieben baptistischen Elternpaaren aus dem Kreis Paderborn, die schon seit Monaten ihre 15 Kinder nicht zur Schule schicken, sollte vorübergehend das Sorgerecht entzogen werden.

Das hat der Jugendforscher Dr. Christian Palentien (Universität Bielefeld) gefordert. Die Schulpflicht müsse mit allen rechtlichen Mitteln durchgesetzt werden, sagte Palentien dieser Zeitung. Die Kinder müssten aus einem langwierigen Streit über die Schulpflicht aber herausgehalten werden. Sie könnten für Wochen oder Monate bei Verwandten oder in Heimen untergebracht werden, wenn die Eltern kein Sorgerecht mehr hätten. Ferner müsse ein Zwangsgeld bei Nichtzahlung deutlich erhöht werden, damit die Summe auch spürbar sei. Der Verstoß gegen die Schulpflicht sei keine Kleinigkeit wie etwa falsches Parken. Schließlich gehe der Staat auch gegen »normale« Schulschwänzer mit aller Härte vor. Wichtige Bildungs- und Erziehungsinhalte würden den Kindern vorenthalten. Bleibe es bei der Totalverweigerung, seien die Familien in anderen Staaten, in denen es keine Schulpflicht, sondern nur eine Bildungspflicht gebe, wie den USA, besser aufgehoben.
Die Eltern im Kreis Paderborn verstoßen aus religiösen Gründen gegen die Schulpflicht und unterrichten ihre Kinder zu Hause. Unterstützt werden sie vom Verein »Schulunterricht zu Hause« (Schuzh) aus dem hessischen Dreieich. Die Schulbehörden haben gegen die Eltern bereits Bußgelder verhängt, die zwangsweise Zuführung der Kinder zur Schule und ein zusätzliches Zwangsgeld angedroht. Die Eltern hatten bis gestern Zeit, ihre Kinder zur Schule zu schicken. Da sie diese Frist verstrichen ließen, werde nur das Zwangsgeld festgesetzt, kündigte eine Sprecherin der Bezirksregierung Detmold an. Frühere Bußgelder seien nicht bezahlt worden.
Den Eltern gehe es um Gewissen und Glauben, sagte Schzh-Geschäftsführerin Ingrid Guenther dieser Zeitung. Die Kinder blieben weiter zu Hause, da sich die Lehrinhalte nicht geändert hätten. Daran könne auch ein Zwangsgeld nichts ändern. Guenther: »Wir hoffen, dass die Behörden Einsicht haben und die beantragte Bekenntnisschule genehmigen. Ein Entwurf liegt dem Schulministerium bereits vor.«

Artikel vom 16.03.2005