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Literatur kommt durch die Ohren

Hörbücher im Aufwind - Sogar Lyrik verkauft sich in rezitierter Form


Hamburg (dpa). Hesses »Steppenwolf« oder Saint-Exupérys »Kleiner Prinz«, Rilkes Lyrik genauso wie Dan Browns »Sakrileg«: Diese literarischen Perlen gibt es als Hörbuch oder neudeutsch Audiobook. Literatur, auf CD gebrannt, gilt heute als »trendy« unter einer wachsenden Zahl junger Hörer und als Kultobjekt jener Menschen in den besten Jahren, die über mehr Geld als Zeit verfügen. Schon längst hat sich das Vorurteil erledigt, vertonte Literatur sei nur etwas für Blinde, Lesemuffel und Analphabeten.
1988 erstmals auf der Buchmesse präsentiert und selbst vor wenigen Jahren noch als Nischenmarkt milde belächelt, wachsen die Umsätze mit Hörbüchern stetig und heftig. Während sie im Jahr 2000 nach Schätzungen des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels in Frankfurt bereits bei 50 Millionen Euro lagen, haben sie sich bis zum Jahr 2003 auf mehr als 150 Millionen Euro verdreifacht.
Angesichts der kritischen Lage auf dem klassischen Buchmarkt können sich die Verlage über das lukrative Nebengeschäft freuen. Zumal sich die Zielgruppe ständig erweitert. Menschen mitten im Leben, mit wenig Zeit und viel Stress gehören zu den bevorzugten Käufern der Tonträger, heißt es übereinstimmend in den Verlagshäusern. »Hörbücher werden insbesondere von kauffreudigen 30- bis 45-Jährigen als Kultobjekt entdeckt«, ergänzt Holger Kuntze von Argon in München.
Außer belletristischen Titeln, und hier vor allem Klassikern und Bestsellern, werden zunehmend auch Sachbücher in der akustischen Variante verlegt und verkauft. Selbst Lyrik, die in den Buchregalen der Geschäfte ein Mauerblümchendasein fristet, scheint auf einmal in rezitierter Form begehrenswerter zu sein.
Gute Umsätze mit einem Buch allein garantieren allerdings noch nicht, dass das Werk auch als Hörbuch ein Hit wird. Der Erfolg von Audiobooks hängt ganz wesentlich von der Bearbeitung und vor allem von der Besetzung und Prominenz des Sprechers ab. Gut laufen insbesondere auch Hörbücher, die von den Autoren selbst gelesen werden. Vor allem die großen Verlage sind dazu übergegangen, die CD zeitgleich zum Buch heraus zu bringen. Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels gab bereits vor drei Jahren den Kurs vor: »Jede Markterweiterung nützt der Branche.«

Artikel vom 16.03.2005