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Mit Hüftgelenksdiskussion
»das Tabu gebrochen«

Philipp Mißfelder über Generationengerechtigkeit

Von Dietmar Kemper
Paderborn (WB). Künstliche Hüften sind kein Tafelsilber. In der Debatte um Generationengerechtigkeit möchte der Bundesvorsitzende der Jungen Union, Philipp Mißfelder (25), nicht mit dem zurückgetretenen Kollegen der Jungen Liberalen, Jan Dittrich, auf eine Stufe gestellt werden.
Philipp Mißfelder aus Gelsenkirchen.

»Ich wollte eine Sachdiskussion anstoßen, Jan Dittrich nur eine Schlagzeile«, sagte Mißfelder am Freitag dieser Zeitung. Im August 2003 hatte der Chef der CDU-Nachwuchsorganisation (130 000 Mitglieder) mit dem Vorschlag für Aufsehen gesorgt, 85-Jährigen Kassenleistungen wie künstliche Hüften und Zahnprothesen zu streichen. »Seitdem schnellte mein Bekanntheitsgrad von zwei Prozent nach oben und mein Name wird seltener falsch geschrieben«, schmunzelte Mißfelder. Damals habe er nicht die ältere Generation vor den Kopf stoßen, sondern die sich abzeichnende schlechtere Gesundheitsversorgung für diejenigen, die später alt sind, zum Thema machen wollen. Mißfelder: »Ich habe über meine Hüfte gesprochen, wenn ich 85 bin. Ich glaube nicht, dass dann noch jemand auf Kosten der Solidargemeinschaft eine künstliche Hüfte bekommen wird.«
Wie berichtet, hatte der Vorsitzende der Jungen Liberalen, Jan Dittrich, vor wenigen Tagen den Armutsbericht der Bundesregierung mit den Worten kommentiert: »Es wird Zeit, dass die Alten von ihrem Tafelsilber etwas abgeben - einen Löffel oder besser gleich ein paar davon.« Mißfelder vermutet, dass Dittrich vor allem auf sich aufmerksam machen wollte: »Seine Formulierung war pure Provokation.«
Im Nachhinein ist der JU-Chef froh, mit der Hüftgelenksdebatte »das Tabu gebrochen zu haben«. Seitdem könne man unverkrampft über Generationengerechtigkeit reden. Mißfelder sagt den Älteren offen ins Gesicht: »Es wird keine Rentenerhöhung mehr geben, nur Nullrunden, die effektiv eine Rentenkürzung bedeuten.«
Am Freitag traf sich der 130 Köpfe zählende Deutschland-Rat der JU zum ersten Mal in Paderborn zu einer Tagung. Wichtigstes Thema: die Bildungspolitik. Mißfelder sprach sich für die Beibehaltung des dreigliedrigen Schulsystems aus und forderte bessere berufliche und akademische Qualifizierungsmöglichkeiten für Jugendliche. Deutschlands Zukunft liege »nicht im Niedriglohnsektor, beim Spargelstechen und bei McDonald's«. Studiengebühren seien akzeptabel, müssten aber mit Stipendien abgefedert und dürften erst zurückverlangt werden, wenn die Akademiker im Beruf stehen. Innerhalb der Union fänden die Forderungen der JU vor allem bei Angela Merkel und Jürgen Rüttgers Gehör. Wegen der Altersstruktur der Wähler sei die Versuchung gleichwohl groß, sich mehr der älteren Generation zu widmen.

Artikel vom 12.03.2005