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Kopie an die
Geschäftsleitung

Wie die WEGE auf Kritik reagiert


Bielefeld (WB). Als »mündiger Bürger und Privatmann« befasste sich Harald Kranz in einem Leserbrief im WESTFALEN-BLATT mit der wenig wirtschaftsfreundlichen Behandlung eines Bauantrages, den eine Bielefelder Firma gestellt hatte. Der Brief war kritisch und drückte das Unverständnis über die Vorgänge aus. Nun erhielt Kranz, Mitarbeiter eines renommierten heimischen Unternehmens, selbst Post - vom Geschäftsführer der städtischen Wirtschaftsförderungsgesellschaft WEGE, Wolfgang Smode. Mit der Schlussbemerkung: »Ich habe mir erlaubt, eine Kopie meines Briefes an Sie Ihrer Geschäftsleitung zuzuleiten.«
Kürzlich beschrieb das WESTFALEN-BLATT den Ärger der Firma MFB-Technik, deren Bauantrag noch Wochen nach dem Eingang auf einem Unerledigt-Stapel im Rathaus lag: Der Bau einer dringend benötigten Produktionshalle verzögerte sich, Bereitstellungszinsen wurden fällig. Die Verantwortung lag zwar in der Bauverwaltung, die vielbeschworene Vernetzung der Behörde mit den städtischen Wirtschaftsförderern hatte aber ganz offenbar nicht funktioniert.
Das wurde in dem Leserbrief kritisiert. In Anspielung auf die gerade erst vollzogenen Feierlichkeiten zum Zehnjährigen der WEGE, die von etlichen grundlegenden und visionären Anmerkungen begleitet waren, schloss der Leserbrief mit einem Wort des Astronauten Neil Armstrong, der als erster Mensch den Mond betreten hat: »Große Ideen brauchen nicht nur Flügel, sondern auch ein Fahrgestell zum Landen.«
Zwar attestierte WEGE-Chef Wolfgang Smode Kranz, »es sei sicherlich jedem unbenommen, zu bestimmten Themen Leserbriefe zu schreiben«, allein, er habe »auch nach mehrmaligem Lesen nicht verstanden«, worum es ihm gehe. Er bitte darum, über die Absichten aufgeklärt zu werden. Und dann: Kopie an Geschäftsleitung.
Nun ist es Wolfgang Smode gewiss unbenommen, sich mit Kritik an der WEGE auseinanderzusetzen. Aber in dieser Art und Weise? Er hätte - zum Beispiel - zum Telefonhörer greifen und versuchen können, die Dinge im Gespräch zu klären. Wenn Smode aber die Schriftform wählt, dann ist es, zurückhaltend ausgedrückt, alles andere als guter Stil, den Vorgang bei der Geschäftsleitung aktenkundig zu machen.
Was erwartet Smode? Dass die Firma ihren Mitarbeiter tadelt, weil er sich als mündiger Bürger geäußert hat, auf den doch immer wieder das Hohelied gesungen wird? Oder dass man dem engagierten Mann möglicherweise einen Maulkorb umhängt?
Eine städtische Gesellschaft muss ertragen können, dass Bürger ihr Tun aufmerksam begleiten und öffentlich ihre Meinung sagen. Und gerade Wirtschaftsförderer sollten stets um Dialog bemüht sein, auch und gerade bei unterschiedlichen Auffassungen.
Mag es sein, dass der Geschäftsführer ein Eigentor geschossen hat? Manfred Matheisen

Artikel vom 23.03.2005