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Wie alles urplötzlich
aus den Fugen gerät

Premiere von Lutz Hübners »Nellie Goodbye«

Von Uta Jostwerner
Bielefeld (WB). Sie sind jung, unbeschwert und voller Tatendrang, um beim »Mudshark Bandcontest« den ersten Preis abzuräumen. Doch mitten in den Proben bricht Frontsängerin Nellie zusammen. In einer packenden Inszenierung präsentierte die Junge Bühne des Alarmtheaters jetzt Lutz Hübners Theaterstück »Nellie Goodbye«.

Nellie (Melissa Schmidt), Cora (Britta Bornhöft), Tina (Stefanie Nolte), Danny (Arne Diekmann) und Jonny (Ingmar Ohm) sind die »Useless Beauties«. Unterschiedlich im Charakter, verbindet sie der Rock'n'Roll. Regelmäßig treffen sie sich in ihrem Keller, um gemeinsam einen Traum zu verwirklichen. Doch wenige Wochen vorm Ziel wird bei Nellie, der lebenshungrigen Sängerin, ein Gehirntumor diagnostiziert. Nellie verschwindet auf Wochen in der Uniklinik. Zurück bleiben ihre Freunde, die, konfrontiert mit der Krankheit und der Ungewissheit, ebenfalls aus dem Ruder laufen.
Ist es pietätlos, weiter zu machen? Oder soll man abwarten? Es wird beschlossen, weiter zu proben. Cora, Nellies beste Freundin, wechselt vom E-Bass ans Mikrofon.
Hinter den Kulissen brodelt es hingegen mächtig. Tina ist unzufrieden, weil ihr aufopferungsvoller Einsatz für die »Useless Beauties« nicht angemessen honoriert wird. Cora machen die Krankenbesuche zu schaffen. Sie weint sich bei Jonnie, Nellies Freund, aus. Der begnadete Songschreiber benimmt sich menschlich daneben und weigert sich, seine Freundin zu besuchen. In ihrem Kummer kommen sich Cora und Jonnie näher und werden ein Paar.
Als Nellie nach OP und Chemotherapie in die Band zurückkehren will, herrscht Betroffenheit. Die Wahrheit kommt auf den Tisch. Auch die, dass Nellie sterben wird. »Es geht ohne mich weiter«, zieht sie, sich in ihr Schicksal ergebend, Bilanz.
In einer von Dietlind Budde und Harald Otto Schmid eingerichteten Inszenierung kommt das Stück frisch auf die Bühne. Szenen mit Tempo und solche, in denen die Zeit still zu stehen scheint, wechseln sich ebenso ab wie Komik und Tragik. Da schnauzt man sich an und im nächsten Moment liegt man sich wieder in den Armen, ohne dass die Inszenierung ins Kitschige abgleitet.
Eine Extraportion Schwung erhält das Stück durch die fetzige Musik - Rock und eine stimmungsvolle Ballade -, die Ingmar Ohm und Melissa Schmidt kongenial komponiert haben und die von sämtlichen Schauspielern brillant zu Gehör gebracht wird. Gehalt gewinnt das Stück zudem durch das nuancierte Spiel der jungen Darsteller, die ihre Rollen allesamt charakterstark ausspielen.
Gunar Meinhold hat ein schlichtes, eher tristes Bühnenbild entworfen, in dem nichts vom Spiel der Darsteller und ihren Gefühlen ablenkt. Lutz Hübners jugendlich freche Sprache bewirkt, dass der Ernst des Stücks nicht ins Unerträgliche abgleitet: Das Leben geht weiter.
Weitere Vorstellungen von »Nellie Goodbye« werden vom 16. bis 20. März gegeben, jeweils um 20 Uhr im Alarmtheater an der Gustav-Adolf-Straße 17. Karten telefonisch unter 13 78 09.

Artikel vom 15.03.2005