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Großinvestition auf der Kippe

Marktkauf-Planung: Rathaus-SPD um Schadensbegrenzung bemüht

Von Burgit Hörttrich und
Manfred Matheisen
Bielefeld (WB). »Ich gehe davon aus, dass wir den Entwurfsbeschluss für den 'Marktkauf'-Neubau in Gadderbaum am kommenden Dienstag im Umwelt- und Stadtentwicklungsausschuss wie geplant beschließen werden,« sagt Georg Fortmeier, UStA-Vorsitzender und Sozialdemokrat.

Vorher allerdings will man am Montag in der Fraktionssitzung mit den SPD-Vertretern der Bezirksvertretung Gadderbaum »reden«. Fortmeier: »Wir haben sie zumindest eingeladen.« SPD und Grüne hatten eine Abstimmung über die 40-Millionen-Investition verhindert, weil sie die Sitzung verlassen hatten (das WB berichtete bereits).
Rotgrün, das eigentlich die Mehrheit in der Gadderbaumer BZV hat, hatte am Donnerstag aber eben keine Mehrheit: ein Politiker war im Urlaub, ein anderer hatte sich für befangen erklärt. Um eine Niederlage zu vermeiden - immerhin war ein knappes Dutzend Zuhörer im Saal - wählte man den Auszug. Dieses Verhalten findet auch Fortmeier »merkwürdig«: »Wenn das jeder täte, nur weil er bei einer Abstimmung zu unterliegen droht. . .«
Bezirksvorsteherin Hannelore Pfaff (Grüne) versuchte das Verhalten der rotgrünen Koalition so zu erklären: »113 Seiten an Unterlagen - das war einfach zu viel.« Allerdings: Die Planungen sind auch der BZV bereits seit einem Jahr bekannt. Ratsmitglied Ralf Nettelstroth, Sprecher der CDU in Stadtentwicklungsfragen, ist verärgert: »Nur, weil Frau Pfaff nicht schnell genug lesen kann, steht eine Großinvestition auf der Kippe.«
»Wir können uns gar nicht beruhigen«, kommentiert auch AVA-Sprecher Rainer Diermann die Vorgänge in der Bezirksvertretung. Der Bundeskanzler sei mit einer Wirtschaftsdelegation in Arabien unterwegs gewesen, um dringend benötigte Aufträge für die deutsche Wirtschaft zu akquirieren, »und seine Parteifreunde an der Basis stellen ein 40-Millionen-Euro-Projekt und 25 zusätzliche neue Arbeitsplätze in Frage«. Es sei unverständlich, wie ein heimisches Unternehmen mit 2400 Mitarbeitern aus parteipolitischen Gründen ausgebremst werde: »Das ist das Gegenteil von Wirtschaftsförderung.«
Sollte der Rat in seiner letzten Sitzung vor den Sommerferien am 30. Juni keine positive Entscheidung fällen, »verlieren wir mindestens ein halbes Jahr, weil dann 2005 nicht mehr mit dem Bau begonnen werden kann«. Im schlimmsten Fall müssten die Planungen für den neue Marktkauf an diesem Standort gestrichen werden. Der Verkäufer habe sich im Grundstücksvertrag Ausstiegsklauseln für den Fall vorbehalten, dass bestimmte Fristen nicht eingehalten werden können.
Und das ist geplant: Als Ersatz für den »Marktkauf« Friedrich-List-Straße mit seinen 6300 Quadratmetern Verkaufsfläche soll quasi auf der gegenüber liegenden Seite der Artur-Ladebeck-Straße ein Neubau mit 7800 Quadratmetern auf einem 20 000 Quadratmeter großen Grundstück gebaut werden; ein Gewerbegebiet. Das Besondere an dem Verbrauchermarkt: Er ist, so Architekt Hans-Heinrich Möller, absolut behindertengerecht. Möglich macht das auch die Höhendifferenz des Grundstücks von bis zu acht Metern: So kann der Markt so errichtet werden, dass 350 Autostellplätze unter der Verkaufsfläche untergebracht werden, nur 150 draußen. Von der überdachten Parkfläche führt ein Aufzug direkt auf die Verkaufsebene. Von der Zufahrt Deckertstraße, also aus Richtung der von Bodelschwinghschen Anstalten, ist der »Marktkauf« stufenlos zu erreichen. Möller ist der Überzeugung, dass es in Zukunft auf der Deckertstraße weniger Verkehr geben werde als heute. Die Hauptzu- und ausfahrt liege an der Artur-Ladebeck-Straße, eine weitere Ausfahrt soll es zum Sandhagen hin geben. Der »Marktkauf« am neuen Standort sei zudem deutlich besser von der Stadtbahnhaltestelle aus zu erreichen, ebenso von den Bewohnern Bethels, die die stark befahrene Artur-Ladebeck-Straße nicht mehr überqueren müssten.
Ralf Nettelstroth weist ausdrücklich darauf hin, dass die Firma Dr. Oetker das Grundstück des jetzigen »Marktkauf« erwerben will, »ohne konkrete Bauabsichten, aber als mögliche Erweiterungsfläche«. Er ärgert sich darüber, dass Rotgrün »zwei alt eingesessenen Bielefelder Unternehmen Steine in den Weg« lege.
Übrigens: Beschließen sollte die Bezirksvertretung nur, die Planungen öffentlich auszulegen.

Artikel vom 12.03.2005