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Kunstwerk aus Nägeln
klagt die Gewalt an

Retrospektive zu Ueckers 75. Geburtstag

Von Gerd Korinthenberg
Düsseldorf (dpa). Es ist wohl das schönste Geburtstagsgeschenk, das sich ein Künstler wünschen kann: Gleich drei Berliner Ausstellungshäuser würdigen den Objektkünstler und Bildhauer Günther Uecker, der an diesem Sonntag 75 Jahre alt wird.

Schauplätze der bis zum 16. Mai ausgebreiteten Retrospektiven sind der Martin-Gropius-Bau, der Neue Berliner Kunstverein und die Neue Nationalgalerie. Der Bauernsohn aus Mecklenburg, der mit Blick auf Getreidefelder und das Meer aufgewachsen ist, wurde zwar dank seiner poetischen Reliefs aus derben Zimmermannsnägeln zu einem der prominentesten Vertreter der deutschen Nachkriegskunst. Dass der seit 1955 am Rhein lebende Wahl-Düsseldorfer ein vielschichtiger Künstler mit zunehmend politischer Ambition ist, lehrt die Berliner Rückschau.
»Ich mache Aggressionen sichtbar und wandle sie poetisch um«, sagt der stämmige Mecklenburger, der in den vergangenen Jahren mit Skulpturen aus zersplitterten Nagelreliefs und mit Lappen umwickelten Hölzern auf Kriege und Gewalt in der Welt reagiert hat. Mit dem aggressiven Akt des Nagelns möchte er auf die Gewalttätigkeit des Menschen hinweisen.
Erste Nagelreliefs, die manchen an die wogenden Ähren oder Ostseewellen Mecklenburgs erinnern, entstanden bereits Ende der 50er Jahre während des Studiums bei dem Holzschneider Otto Pankok. So erscheint schon Ueckers Frühwerk »Das gelbe Bild« (1957/58), ein auf einer Kante stehendes, strahlend-gelbes und rundum benageltes Rechteck, wie eine energieverströmende »Sonne«, malträtiert von einer Dornenkrone.
Die Kooperation mit der von Otto Piene und Heinz Mack gegründeten Künstlergemeinschaft ZERO, die Übernagelung von Möbeln und eine Reihe unkonventioneller Kunstaktionen verschafften Uecker öffentliche Aufmerksamkeit. Nachdrücklicher als im Frühwerk verdeutlichen neue Materialien das Anliegen des im Juni 2001 mit dem hoch angesehenen Orden »Pour le merite« ausgezeichneten Uecker, der immer wieder auf das Gewaltpotenzial der Menschheit und deren Selbstgefährdung hinweisen will. Diente früher sein Material dazu, »Licht zu artikulieren«, stehen Asche und Erde heute als Aussage für Ende und Vergänglichkeit.

Artikel vom 12.03.2005