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Als die Sioux die Prärie durchstreiften

Dauerausstellung im Naturkundemuseum Münster mit neuen Exponaten und Themen

Von Dietmar Kemper
Münster (WB). Erst verschwanden die Bisons, dann die Indianer. Aus der grenzenlosen Freiheit der weiten Ebenen Nordamerikas wurde für die Sioux und Cheyennes die Gefangenschaft in lebensfeindlichen Reservaten. Über die »Prärie- und Plainsindianer« informiert die komplett überarbeitete Dauerausstellung im Naturkundemuseum Münster.
Die Bison-Skulptur vor lebensechten Modellen.

Auf 700 Quadratmetern geben mehr als 300 Exponate Einblicke in Alltag und Selbstverständnis der Stämme, die nichts mehr als die Freiheit liebten. Das Nomadendasein verdankten die Eingeborenen den spanischen Eroberern. Auf ihrer Suche nach sagenhaften Goldschätzen liefen ihnen im 17. Jahrhundert Pferde davon, verwilderten, vermehrten sich und dienten den Indianern etwa ab 1720 als Reit- und Transporttiere. Auf den Travois zogen die »große Hunde« genannten Pferde Tipi, Hausrat und Essensvorräte über Grasboden und Felsgestein.
»Mit der Verfügbarkeit des Pferdes hat sich die Lebensweise grundlegend verändert«, sagte Museumsleiter Alfred Hendricks am Freitag dieser Zeitung: »sesshafte Stämme, die an Flüssen und am Rand der Ebenen lebten, wurden nomadisch und jagten Bisons.« Mobilität sei zum Charakterzug der Indianer geworden und werde bis heute als hoher Wert empfunden. Nachdem die Krieger über Pferde verfügten, verwandelten sich die großen Ebenen zwischen Mississippi und den Rocky Mountains in einen permanenten Unruheherd. Verfeindeten Stämmen Pferde stehlen, Weidegründe verteidigen, Büffel jagen: Das Leben bot jungen Kriegern viele Möglichkeiten, sich zu bewähren.
Der Niedergang der Bisonjäger-Kulturen begann mit der Ausbreitung des »weißen Mannes«. Eisenbahnstränge durchzogen das Land, Stacheldraht rund um die Farmen versperrte Arapahos und Crows den Weg. Eisenbahner, Cowboys und die Trecks der Einwanderer brauchten Fleisch. Die 60 Millionen Bisons wurden dezimiert, zum Teil aus Berechnung, um die »Rothäute« hungern zu sehen, und aus Spaß, wenn Jäger aus den Fenstern der Eisenbahn-Waggons feuerten. Tausende Berufs- und Amateurjäger schossen so lange, bis 1895 nicht mal 1000 Büffel übrig geblieben waren.
Die Indianer verloren ihre Lebensgrundlage. An die Verehrung der Büffel erinnert in der Ausstellung eine heilige Pfeife der Sioux. Hendricks erklärt: »Sie galt als heiligstes Sakrament und wurde nach der Überlieferung den Sioux von einer Bisonfrau gebracht.« Noch heute spielen die Tiere in der zeitgenössischen Kunst eine Rolle, wie die überlebensgroße Bisonskulptur aus Schrottteilen zeigt.
Trotz des spektakulären Siegs über General Custer 1876 am Little Big Horn verloren die Indianer den Krieg gegen die Weißen. Krankheiten und Alkohol schwächten sie weiter, aus den stolzen Beherrschern der Prärie wurden soziale Außenseiter der amerikanischen Gesellschaft. Heute fahren Indianer Autos, tragen Anzüge, leben in Häusern, aber Arbeit haben viele nicht. Nach Jahrzehnten der Depression regt sich aber wieder der Stolz auf die indianischen Wurzeln, die naturverbundenen Kulturen. Die Dauerausstellung räumt mit dem Klischee auf, dass der typische Indianer wie Winnetou aussieht und sich so edel verhält. »Die Indianer verteilten sich auf zehn verschiedene Kulturareale, allein in den Prärien lebten 30 Völker«, betont Hendricks.
In der Ausstellung werden die Bedeutung von Kleidung und Schmuck erläutert, religiöse Riten geschildert, Krankheit und Vernichtung behandelt, der Bruch von Verträgen durch die US-Regierung und der Verlust der Kultur aufgeschlüsselt. Ausgeweitet wurden die Bereiche Waffen, historisches Wohnen, zeitgenössische Kunst und die Darstellung der Klischees. Vor zehn Jahren strömten mehr als 250 000 Besucher zur ersten Ausstellung nach Münster. Daran wollen die Verantwortlichen anknüpfen. Hendricks: »Indianer und Dinosaurier ziehen am meisten.« Das Westfälische Museum für Naturkunde unmittelbar neben dem Allwetterzoo ist dienstags bis sonntags von 9 bis 18 Uhr geöffnet.

Artikel vom 12.03.2005