14.03.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Leitartikel
Kosovo

Scheinruhe
ist kein Fortschritt


Von Reinhard Brockmann
Von Explosion bis Durchbruch: Im Kosovo ist sechs Jahre nach dem Kriegsende und am Jahrestag der Unruhen vom 17. März 2004 (20 Tote, 1000 Verletzte) alles möglich. Erste Anschläge lassen schon Böses ahnen.
Schon verliert der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Tom Koenigs, die Nerven. Er hat gestern die Europäische Union aufgefordert, sich für eine Lösung des Kosovo-Konflikts einzusetzen. Die Möglichkeiten der UN seien weitgehend erschöpft. Er sieht keine Möglichkeit mehr für den Kosovo, im serbischen Staatsverband zu bleiben. Es müsse eine Form der Autonomie, wenn nicht gar der Souveränität oder der Unabhängigkeit geben.
Falsch! Gäben die UN nach, hieße das: Gewalt lohnt. Längst sind die Aktivisten auch im Kosovo einschließlich des »Alten auf dem Berge«, Ibrahim Rugova, von Opfern zu Tätern geworden. Die nicht minder schuldbeladenen Serben tragen mit ihrem Rückzug in alten Belgrader Totalitarismus auch nicht zur internationalen Rufförderung bei.
Dennoch bleibt die Doppelstrategie der Kosovaren durchschaubar: Während sich gerade zwei serbische Generäle wegen Krankheit und anderer Zipperlein weigern, vor dem Menschrechtstribunal in Den Haag zu erscheinen - eine Bedingung für den weiteren Friedensprozess -, hat sich der bisherige Ministerpräsident des Kosovo, Ramush Haradinaj, freiwillig einer beinharten Anklage gestellt.
Er muss sich wegen schwerer Kriegsverbrechen in 37 Fällen verantworten. Er und seine prominenten Mitangeklagten Idriz Balaj und Lahi Brahimaj sollen mit der damaligen kosovo-albanischen Untergrundarmee UCK eine kriminelle Organisation zur Vertreibung der Serben geführt haben. Die UCK hat Serben vergewaltigend und brandschatzend vertrieben, Lager angegriffen und Zurückgebliebene getötet. Haradinaj war zu dieser Zeit Kommandeur.
Daheim bei den Landsleuten in Pristina und Prizren kommen solche Vorwürfe bestens an. Die Mordbrenner gelten als Volkshelden. Außerdem ist Haradinaj sehr wahrscheinlich der Urheber der Unruhen 2004. Damals ging unter den Augen der UN-Polizei und Nato-Soldaten die Vertreibung der serbischen Minderheit weiter. 20 000 Militärs, davon 3000 deutsche, stellen trotz gewaltigen Materialeinsatzes bislang allenfalls eine Scheinruhe her.
Der Bundeswehr war bis zum vergangenen Herbst der Einsatz von Tränengas und die Benutzung von Schlagstöcken bei Polizei-Einsätzen (!) durch rot-grüne Vorgaben unmöglich. Das hat sich geändert. Auch wurden deutsche und britische Verstärkungen für die bevorstehende Protest-Woche entsandt, aber eine wirkliche Lösung bleibt überfällig.
Wir erinnern uns, dass der 2004 in Bedrängnis geratene Verteidigungsminister Peter Struck hin und wieder deutlicher wurde als erlaubt. Er verlangte dann von Bundesaußenminister Joschka Fischer diplomatische Fortschritte statt vornehmer Zurückhaltung.

Artikel vom 14.03.2005