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Kirche will Pfarrhäuser verkaufen

Kostendruck steigt - auch viele Gottesdienststätten sind in Zukunft überflüssig

Von Ernst-Wilhelm Pape
Bielefeld (WB). Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) geht davon aus, dass in Zukunft die Hälfte der bundesweit mehr als 20 000 Kirchen und Kapellen für einen Gottesdienst nicht mehr benötigt werden.

Speziell in den neuen Bundesländern werde die Zahl sogar weit über 50 Prozent liegen, sagte Oberkirchenrat Gerhard Eibach dieser Zeitung. Eibach ist bei der EKD für das Bau- und Grundstücksrecht sowie das Versicherungswesen zuständig. Die Evangelische Kirche werde nach einer aktuellen Prognose in den nächsten 20 Jahren die Hälfte ihrer Finanzkraft einbüßen, betonte der Oberkirchenrat.
Ein Verkauf von Kirchen komme aber nur ein andere nahestehende christlichen Gemeinden in Betracht. An einen Verkauf an moslemische Gemeinden sei nicht gedacht. »Kirchen, die nicht unter Denkmalschutz stehen, können auch abgerissen werden, wenn ihre Nutzung als Gottesdienststätte nicht mehr benötigt wird«, sagte Eibach. Ein Verkauf von überflüssigen Kirchen sei aber schwierig, da sie wie ein Klotz am Bein seien. Eine Gemeinde bekomme vor allem Geld in die Kasse, wenn nicht mehr notwendige Gemeindehäuser sowie Pfarrhäuser veräußert werden könnten. Gemeindehäuser könnten zum Beispiel zu Wohnungen umgebaut werden.
Allein im Bereich der Evangelischen Kirche von Westfalen gibt es 1200 Pfarrhäuser. Andreas Duderstedt, Sprecher der Landeskirche, bestätigte, dass es beim Landeskirchenamt in Bielefeld bereits einige Anfragen von Gemeinden gebe, die ihre Pfarrhäuser verkaufen wollten. Derzeit gibt in der Evangelischen Kirche von Westfalen noch 1511 Pfarrstellen. Nach heutiger Schätzung würden im Jahr 2030 noch 700 Pfarrstellen bestehen, sagte Duderstedt dieser Zeitung.
Der Pfarrverein Westfalen geht davon aus, dass in Zukunft zehn Prozent der Pfarrhäuser von den Gemeinden abgestoßen werden. Das alte traditionelle Pfarrhausbild werde immer mehr verblassen, sagte der Vorsitzende des Pfarrvereins, Ulrich Conrad (Hamm), dieser Zeitung. Der Pfarrverein fordert in diesem Zusammenhang, dass die Pflicht, im Pfarrhaus oder in einer Dienstwohnung zu wohnen, aufgehoben wird. Viele Pfarrhäuser entsprächen von Größe und Zuschnitt her nicht mehr der heutigen Familiengröße und den Lebensbedingungen. Die Häuser seien für viele Pfarrer auch zu kostspielig. Ferner würden die Gemeinden Druck machen, da je nach Alter des Hauses für die Instandhaltung beträchtliche Kosten anfielen.
Bisher hat lediglich die Rheinische Landeskirche die Dienstwohnungspflicht gelockert. Pfarrstelleninhaber können sich in der Gemeinde eine eigene Wohnung suchen. Die EKD spricht sich hingegen im Zweifel für das Pfarrhaus aus. Nach Meinung der Rheinischen Landeskirche werde ein Pfarrer, der aus seiner Dienstwohnung ein gastfreundliches, offenes Haus mache, dies auch in einer Privatwohnung tun.
Die Evangelische Kirche von Westfalen will während der Landessynode im Herbst 2005 über eine mögliche Aufhebung der Dienstwohnungspflicht diskutieren. Eine Debatte kündigt sich auch bei der Lippischen Landeskirche an. »Wenn Gemeinden unter starkem finanziellen Druck stehen und ihr Pfarrhaus verkaufen wollen, wird es zu einer kontroversen Debatte kommen«, sagte Sprecherin Birgit Brockmeyer.
Die Evangelische Kirche von Westfalen ist mit 2,69 Millionen Mitgliedern nach Hannover (3,1 Millionen), Rheinland (3,0 Millionen) und Bayern (2,74 Millionen) die viertgrößte der 23 Landeskirchen in Deutschland. Die Lippische Landeskirche hat 200 215 Mitglieder. Seite 4: Kommentar

Artikel vom 12.03.2005