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Wenn Wissenschaftler
über die Liebe reden

Tagung untersucht die unterschiedlichsten Aspekte

Von Sabine Schulze
Bielefeld (WB). Liebe - das hat mit Romantik, Kerzenschein, Schmetterlingen im Bauch und Herzklopfen zu tun. Mit wissenschaftlicher Analyse aber weniger. Und doch steht die Himmelsmacht in der kommenden Woche im Mittelpunkt einer wissenschaftlichen Konferenz. Mit den »Facetten der Liebe« befasst sich die Forschungsgruppe »Emotionen als bio-kulturelle Prozesse« im Zentrum für interdisziplinäre Forschung.

Dass Literaturwissenschaftler dabei sind, wenn über die Liebe gesprochen wird, liegt auf der Hand. Schließlich füllen Romane und Gedichte, die um dieses eine Gefühl kreisen, die Regale zuhauf, und diskutiert werden drei Goethe-Gedichte ebenso wie die Zelebration der romantischen Liebe in den Bollywood-Filmen aus Indien. Ebenso aber machen sich Philosophen darüber Gedanken, woher der Mensch weiß, dass er liebt, erforschen Psychologen und Soziologen das Phänomen. Neurophysiologen und Neurobiologen untersuchen die Bedeutung der Partnerwahl für die Evolution, während eine Primatenforscherin über die Lieblosigkeit der Biologie, die die Liebe auf Sexualbindungen reduziert, auf einen hormonell verursachten Zustand mit dem Ziel der Reproduktion, sprechen wird.
Einen ganz anderen Ansatz hat Prof. Dr. Birgit Röttger-Rössler, neben dem Hirnforscher Prof. Dr. Hans-Joachim Markowitsch Leiterin der Forschungsgruppe. Die Ethnologin betrachtet die Liebe unter kulturvergleichenden Aspekten, während ihr »Gegenpol« Markowitsch nach einem Niederschlag im Gehirn sucht, danach, ob und wie sich die Emotion abbildet. Und sie stellt fest, dass die Konzeption der romantischen Liebe der westlichen Gesellschaft nicht universal ist: »Ich habe viel in Indonesien, in polygamen Kulturen und in islamischen Kulturen mit arrangierten Ehen geforscht. Sie betonen das Modell der Verliebtheit nicht.« Im Gegenteil: Verliebtheit wird dort abgewertet und in Richtung Krankheit geschoben. Ehen, so die Vorstellung, sollten mit Vernunft geschlossen werden. »Weniger Romantik bedeutet andere Erwartungen, das hat etwas Entspannendes. Und damit sind die Ehepartner emotional unabhängiger voneinander. Wenn es dann nicht so klappt, ist es kein Drama.«
Auch die Frage, woran er erkennt, dass er verliebt ist, wird ein Indonesier anders beantworten als ein Europäer. »Er wird nicht sagen, dass er glücklich ist, wenn Sie nahe ist, sondern dass er in Sorge sei, unruhig, sich um andere Gedanken mache.« Der verliebte Indonesier und die verliebte Indonesierin sind also eher auf die Gruppe konzentriert. In einer Gesellschaft, in der wichtige soziale Strukturen letztlich über Verwandtschaftsbeziehungen organisiert sind, so Röttger-Rössler, sei es eben wichtig, Gruppendenken von klein auf zu verinnerlichen. Zu viel Individualisierung wäre schädlich. »Das müsste dann aber auch bedeuten, dass andere Hirnareale erregt werden«, schließt sie. Eine Frage, der sie und Markowitsch gerne nachspüren wollen.
Da die Schriftsteller in Worte kleiden und benennen, was viele Menschen spüren, sollen sie auch zu Wort kommen: in Person von Michael Kleeberg. Der mehrfach ausgezeichnete Autor von Romanen und Erzählungen nimmt nicht nur an der Tagung teil. Am Dienstag, 15. März, 19.30 Uhr, findet im ZiF eine öffentliche Autorenlesung mit ihm statt. Kleeberg greift das Tagungsthema auf und liest aus seinen Werken »Der König von Korsika« und »Ein Garten im Norden« sowie aus der Erzählung »Eine kurze Freundschaft«, um den Anfängen der Liebe nachzuspüren.

Artikel vom 11.03.2005