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Bayerns breite Brust

Traumziel bleibt Istanbul, das Nahziel heißt Schalke

London (dpa). Die Siegesfeier der erschöpften Bayern-Stars nach der süßesten Europapokal-Niederlage seit 18 Jahren fiel extrem kurz und bescheiden aus, die Kampfansage an Europas Top-Clubs und den FC Schalke 04 nicht.
»Egal, wen wir ziehen im Viertelfinale - wir werden möglicherweise nicht Favorit sein, aber eines sind wir seit heute mit Sicherheit auch nicht mehr: Außenseiter«, tönte Karl-Heinz Rummenigge bei seiner Bankett-Rede im Ballsaal des Luxushotels »The Landmark« nach dem folgenlosen 0:1 im Achtelfinal-Rückspiel der Champions League gegen Arsenal London.
Der Vorstandsvorsitzende redete schon vom »großen Ziel Istanbul«, wo am 25. Mai das Finale steigt: »Seit heute ist der eine oder andere Traum erlaubt«, rief er aus. Kurzfristig sind aber alle Blicke nach Schalke gerichtet. Mit schweren Beinen, aber breiter Brust geht der Tabellenführer in das Titelduell am Sonntag. »Wer so gut gegen Arsenal spielen kann, kann auch bei Schalke gewinnen«, verkündete Trainer Felix Magath.
»Wir sind wieder wer!« Dieses Gefühl verbreiteten die Bayern, nachdem das 3:1-Polster aus dem Hinspiel gereicht hatte und der Rekordmeister einmal mehr die Ehre des deutschen Fußballs gerettet hatte. »Wir haben uns eindrucksvoll in Europa zurückgemeldet. Bayern München ist der einzige deutsche Club, der noch im Europapokal dabei ist. Darauf sollten wir stolz sein«, erklärte Rummenigge. Oliver Kahn konnte sich nicht erinnern, »wann ich mich über ein 0:1 so gefreut habe. Aber es war wichtig, dass wir nach drei Jahren wieder im Viertelfinale stehen«, sagte der Kapitän.
Noch ist man zwei K.o.-Runden von einer erneuten Endspiel-Teilnahme entfernt. Aber der Glaube an eine Wiederholung des Triumphes von 2001 ist geweckt. »Es ist alles möglich«, frohlockte Robert Kovac. »Die Power unserer Mannschaft hat mir das Gefühl von 2001 gegeben«, meinte Bixente Lizarazu. »Wir haben das Gefühl, dass wir im Moment jede Mannschaft schlagen können«, sagte Sebastian Deisler. Kahn hofft zunächst auf Losglück am 18. März, während sein unterlegener Torhüter-Rivale Jens Lehmann nach dem »bittersten Sieg meiner Karriere« den Bayern sogar den Titel zutraut: »Fußballerisch gibt es stärkere Mannschaften, aber die Bayern sind sehr physisch.«
Ein Moment der Unaufmerksamkeit beim Tor von Superstar Thierry Henry (66.) brachte die Bayern noch einmal in Gefahr und rief bei Uli Hoeneß sogar den Albtraum des Endspiels gegen Manchester United (1:2) anno 1999 in Erinnerung. »Ab der 90. Minute habe ich an Barcelona gedacht«, gestand der Manager. Auch Magath missfiel das Zittern in den Schlussminuten, als Kahn noch einen Kopfball von Kolo Touré entschärfen musste (88.). Ansonsten hatte der Trainer lediglich einen Kritikpunkt: »Wir haben versäumt, ein Tor zu machen.«
Dafür ist Roy Makaay unerlässlich, auch wenn Paolo Guerrero den verletzten Torjäger recht gut vertrat. Die defensive Kompaktheit war dafür beeindruckend. »Ich muss ganz weit zurückdenken, wann ich eine bessere Bayern-Mannschaft gesehen habe als in der ersten Halbzeit«, schwärmte Kahn. Im Prestige-Duell mit Rivale Jens Lehmann war er der Gesamtsieger, auch wenn beide im Rückspiel ihre Klasse unter Beweis stellen konnten.

Artikel vom 11.03.2005