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»Grand Slam«
ließ die Erde
heftig beben

Vor 60 Jahren wurde Viadukt zerstört

Von Burgit Hörttrich
Bielefeld (WB). Am 14. März 1945, vor 60 Jahren, wurde der Viadukt in Schildesche nach unzähligen Bombenangriffen zerstört. Um 16.28 Uhr schlug die »Grand Slam«, die größte konventionelle Bombe, etwa 30 Meter neben der Brücke ein, grub sich in die Erde und detonierte. Das daraufhin einsetzende künstliche Erdbeben ließ den Viadukt auf einer Länge von 130 Metern einstürzen.

Der Viadukt, 1847 fertiggestellt, gehörte mit seinen 28 Rundbögen zu den größten Eisenbahnbrücken Deutschlands. Über ihn führte die Bahnlinie Köln-Dortmund- Hamm-Bielefeld-Minden-Hannover-Berlin-Warschau. Sie war seit November 1944 Ziel unzähliger Bombenangriffe. Allein im November 1944 warf die britische Air Force mehr als 2000 Spreng- und 33 000 Brandbomben auf das Bauwerk und die umliegende Gegend, ohne jedoch einen entscheidenden Treffer zu erzielen. Die Bewohner der benachbarten Gemeinden litten unter den fast täglichen Angriffen. Es gab zahlreiche Opfer, die Brücke aber hielt stand.
Die Reichsbahn fuhr schon längst eine Umleitungsstrecke, im Dezember 1944 wurde auch für den Nahverkehr mit dem Bau einer Umgehungsbahn begonnen - der so genannten Gummibahn, ein Provisorium, das 20 Jahre in Betrieb blieb. Deren Strecke war 3,4 Kilometer lang, zweigte beim Sattelmeyerhof von der Hauptstrecke ab und erreichte hinter dem Hof Niedermark wieder die Hauptstrecke.
Für den großen Angriff am 14. März 1945 hatte sich die Royal Air Force besonders gerüstet. Sie verfügte seit Mitte 1944 über so genannte Erdbebenbomben, die fünf Tonnen schweren »Tallboys«, im März 1945 kamen dann die »Grand Slams« dazu. Sie waren 7,75 Meter lang und trugen fünf Tonnen Sprengstoff. Entwickelt worden waren diese Bomben, um gegen U-Boot-Bunker und die meterdicken Ummantelungen von Unterständen eingesetzt zu werden, ihn denen sich vorgeblich Hitlers »Wunderwaffen« befinden sollten. Aus großer Höhe abgeworfen, drangen diese Sprengkörper mit enormer Geschwindigkeit tief in das Erdreich ein, detonierten dort und lösten eine gewaltige Schockwelle aus. Diese Bomben mussten ihr Ziel gar nicht genau treffen - es war sogar besser und effektiver, es knapp zu verfehlen. Vierzehn Lancaster und ein »Pathfinder« starteten am 14. März 1945 gegen 13 Uhr von ihrem Stützpunkt 170 Kilometer nördlich von London Richtung Bielefeld. Eigentlich sollten zwei »Grand Slams« abgeworfen werden, das zweite Flugzeug mit der Bombe konnte jedoch wegen eines Motorschadens nicht starten. Die Bombardierung des Bielefelder Viaduktes gehörte zum alliierten »Ruhrplan«, der das Ruhrgebiet vom übrigen Reichsgebiet abkoppeln sollte. Die Bombenabwürfe wurden von ständigen Tieffliegerangriffen begleitet.
Durch die Bombardierung des Viaduktes am 14. März 1945 entstand ein Bombenkrater von 18 Metern Tiefe und einem Durchmesser von 60 Metern. Familien, die vor dem Angriff in ihre Luftschutzkeller geflohen waren, ertranken: Durch den Luftdruck, den die Zehn-Tonnen-Bombe erzeugte, trat der Johannisbach über die Ufer und ergoss sich in Wohnhäuser und Keller.
Nach 1945 behalf man sich lange mit einem Provisorium aus Stahlträgern, um die Lücke im Viadukt zu schließen. Die Bundesbahn plante 1960, anstelle der Talbrücke einen 20 Meter hohen Damm aufzuschütten. Der Bielefelder Rat wehrte sich aber vehement dagegen. Erst 1985 wurde die neue Betonbrücke vollendet, die Talbrückenstraße und Johannisbach überspannt.

Artikel vom 12.03.2005