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Regierung
nimmt Lehrer
in Schutz

Schulboykott: Neue Strafanzeige

Von Ernst-Wilhelm Pape
Paderborn/Detmold (WB). Die Bezirksregierung Detmold will mit allen Mitteln verhindern, dass das Strafverfahren gegen die Geschäftsführerin des Vereins »Schulunterricht zu Hause« (Schzh), Ingrid Guenther, eingestellt wird.

Der Verein, der im hessischen Dreieich ansässig ist, vertritt sieben baptistische Elternpaare aus dem Kreis Paderborn, die aus religiösen Gründen ihre 15 Kinder schon seit Monaten nicht zur Schule schicken, sondern zu Hause unterrichten. Eine Lehrerin und ein Lehrer hatten Strafanzeige gegen Guenther erstattet. Darauf hin hatte die Staatsanwaltschaft Paderborn ein Ermittlungsverfahren gegen die Geschäftsführerin wegen Beleidigung, Verleumdung und übler Nachrede eingeleitet. Guenther hatte im Gespräch mit dieser Zeitung erklärt, dass in einer staatlichen Schule die Menschenwürde der Kinder missachtet und im Sexualkundeunterricht ihre persönliche Intimsphäre aufs Massivste verletzt werde. Die Kinder hätten durch Teilnahme am staatlichen Schulunterricht Schaden genommen.
Auch die Lehrergewerkschaft Verband Bildung und Erziehung (VBE) prüft nach Angaben ihres Vorsitzenden Udo Beckmann rechtliche Schritte gegen Ingrid Guenther. Die Geschäftsführerin habe Lehrer beleidigt und Inhalte des Lehrplans diffamiert, sagte Beckmann dieser Zeitung.
Nach Angaben von Oberstaatsanwalt Hans-Peter Dietzmann ist die Beschuldigte bereits zu einer schriftlichen Stellungnahme aufgefordert worden. Eine Sprecherin der Bezirksregierung in Detmold betonte gestern, dass die Behörde als Aufsichtsbehörde und Dienstherr der Lehrer nicht zulassen werde, dass das Strafverfahren möglicherweise eingestellt wird und die Parteien auf den Privatklageweg verwiesen werden. In diesem Falle werde die Bezirksregierung durch eine eigene Strafanzeige das öffentliche Interesse an einer Strafverfolgung wieder herstellen.
In OWL kamen bisher sieben Familien aus dem Kreis Paderborn, eine Familie aus Bad Driburg-Neuenheerse und eine Familie aus Kalletal (Kreis Lippe) ihrer Schulpflicht nicht nach. In ganz NRW sind es 26 Familien. Die Familie aus Kalletal hat inzwischen eingelenkt und schickte ihre beiden Kinder seit einigen Tagen zur einer evangelikalen Bekenntnisschule, teilte die Bezirksregierung mit. Dies sei nach intensiven Gesprächen erreicht worden. Den anderen Eltern werde in den nächsten Tagen ein Zwangsgeld in Höhe von 500 Euro pro Kind angedroht. Seite 4: Kommentar

Artikel vom 10.03.2005