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Grünen-Praktikantin kauft Russland-Visum in Berlin

Obmann Montag amüsiert über Reisebüro »Vostok«

Von Reinhard Brockmann
Berlin (WB). Der Obmann der Grünen im Visa-Ausschuss Jerzy Montag, hat vor der heutigen Sitzung die Union eine »Aufklärungsbremse« genannt.
Jerzy Montag - belustigt über Visa-Kauf in West-Ost-Richtung
Ihre Forderung, Außenminister Joschka Fischer schnell zu vernehmen, sei »reine Propaganda«. SPD und Grüne hätten »Sonderschichten« angeregt, doch seien von sieben vorgeschlagenen Terminen nach Abstimmung mit der Union nur zwei übrig geblieben.
Unterdessen schilderte Montag ganz offen einen Fall von Visa-Erschleichung aus den eigenen Reihen. Danach war einer Praktikantin im Büro der Grünen-Fraktion ein Visum für Russland verweigert worden. Daniela J. soll dann bei einem Berliner Reisebüro für 150 Euro sowohl eine Einladung als auch ein Visum gekauft haben. Daraufhin habe die junge Frau die Grünen-Fraktionsvorsitzende Kathrin Göring-Eckhardt in St. Petersburg begleiten können.
Montag betonte ausdrücklich, die Reisende habe das Visum erhalten, ohne den Einladenden zu kennen oder die russische Botschaft betreten zu haben. Das Lustigste sei gewesen, so der Abgeordnete Montag, dass das nette Reisebüro den Namen »Vostok« führe. Tatsächlich ist es eines von 350 Büros, die im BKA-Bericht »Wostok« als mögliche Anlaufstelle von Schleusern gelistet sind.
Die gestern bekanntgewordene Versetzung eines Beamten im Bundesinnenministerium hat nach offiziellen Angaben nichts mit einem Ermittlungsverfahren gegen den Mann wegen der Visa-Affäre zu tun. Das sagte Sprecher Rainer Lingenthal. Die »Financial Times Deutschland« hatte von einer ersten personellen Konsequenz der Visa-Affäre berichtet. Der Regierungsdirektor sei bis 2004 mit der Sicherheit und Gestaltung von Reisedokumenten befasst gewesen und habe die Projektgruppe »Personaldokumente, Meldewesen, Biometrie« geleitet. Der Beamte soll im Januar 2002 an das Auswärtige Amt geschrieben haben, es sei nicht notwendig, die Kriterien der Auswahl geeigneter Versicherungsunternehmen für den Verkauf von Reiseschutzversicherungen in einem Erlass zu regeln.
Lingenthal kritisierte die Staatsanwaltschaft, die sich mehrfach geäußert habe, aber noch nicht mit dem Beschuldigten selbst gesprochen habe. Im Auswärtigen Amt hat es nach Angaben von Sprecher Walter Lindner vier Ermittlungsverfahren gegeben. Davon seien drei eingestellt worden. Auch im vierten Fall sei noch keine Anklage erhoben.
Der FDP-Obmann im Untersuchungsausschuss, Hellmut Königshaus, wies Innenminister Otto Schily persönliche Verantwortung in der Affäre zu. Schily habe »sein Haus nicht im Griff« und damit erst die Missstände bei der Visavergabe ermöglicht. Damit trage er auch persönlich Verantwortung. Satt zu handeln habe Schily ein »Stillhalteabkommen« mit Außenminister Fischer geschlossen.

Artikel vom 10.03.2005