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Rot-Grün über Koalition einig

In Schleswig-Holstein wird Gemeinschaftsschule auf den Weg gebracht

Kiel (dpa/AP). Knapp drei Wochen nach der Landtagswahl in Schleswig-Holstein haben sich SPD und Grüne auf einen Koalitionsvertrag für ihre künftige Minderheitsregierung geeinigt.

Nach einem elfstündigen Sitzungsmarathon, bei dem SPD und Grüne letzte Streitpunkte ausgeräumt hatten, schlossen die Bündnispartner am Freitag mit dem Südschleswigschen Wählerverband (SSW) eine »Tolerierungsvereinbarung«. Rot-Grün hat zusammen mit den beiden Stimmen des SSW im neuen Landtag eine Stimme mehr als CDU und FDP.
Eine rot-grüne Regierung wird nach Ansicht von Ministerpräsidentin Heide Simonis (SPD) trotz der fehlenden eigenen Mehrheit eine solide Grundlage haben. Den SSW bezeichnete sie als absolut zuverlässigen Partner. Sie kündigte einen neuen Aufbruch mit umfassenden Reformen in Arbeit, Bildung und Verwaltung an. Man sei aber fähig und willens, für die nächsten fünf Jahre Verantwortung zu tragen.
Wie die SPD zeigten sich auch die Grünen in Berlin zufrieden mit dem Verhandlungsergebnis. Erstmals gebe es in der Bundesrepublik zum dritten Mal nacheinander eine rot-grüne Koalition. »Das ist ein gutes Signal für Düsseldorf«, sagte Grünen-Chefin Claudia Roth. In Nordrhein-Westfalen wird am 22. Mai ein neuer Landtag gewählt.
Über eine Unterstützung einer rot-grünen Minderheitsregierung entscheidet die Partei der dänischen und friesischen Minderheit auf einem Parteitag an diesem Samstag. »Ich bin zuversichtlich, dass die Delegierten sehen, dass der Vertrag vieles enthält, was der SSW sich vorgenommen hat und zustimmen wird«, sagte die SSW-Vorsitzende im Landtag, Anke Spoorendonk.
Die Ministerpräsidentenwahl ist für kommenden Donnerstag geplant. Dabei tritt CDU-Fraktionschef Peter Harry Carstensen gegen Simonis an. CDU und FDP hatten bei der Landtagswahl am 20. Februar die Mehrheit nur knapp verpasst. Carstensen sprach von einem »Koalitionsvertrag der faulen Kompromisse«.
Kernpunkt der Reformen sei der Umbau des Schulsystems zu einer Schule für alle Schüler bis zur 9. oder 10. Klasse, sagte Simonis. Dieser Umbau könne jedoch »nicht auf Knopfdruck passieren«, sondern müsse die 400000 Schüler und 25000 Lehrer in Schleswig-Holstein sowie die Eltern und Schulträger mitnehmen.
Ziel ihrer Regierung sei es, Kinder nicht mehr abzustempeln und sitzen zu lassen, sondern zu fördern. Auch künftig werde jedoch auf Leistung und Qualität Wert gelegt. Bei der Reform der Verwaltung komme es darauf an, leistungsfähige Strukturen zu schaffen und gleichzeitig die Demokratie an der Basis zu stärken, sagte Simonis. Schleswig-Holstein habe derzeit die schlankeste Landes-, aber teuerste Kommunalverwaltung in der Bundesrepublik.
Im Bildungsbereich sollen die Mittel für Schulen um 150 Millionen Euro aufgestockt werden, was 600 Lehrerstellen verteilt auf fünf Jahre entspricht. Vorrangig soll der Vor- und Grundschulbereich, die Sprachförderung und der frühe Fremdsprachenunterricht profitieren. Das Sitzenbleiben in der Grundschule wird abgeschafft. Die Gemeinschaftschule wird schrittweise und als Regelschule eingeführt, wobei zunächst in den 40 Schulzentren des Landes und den 50 kooperativen Schulen zum Schuljahr 2006/7 eine gemeinsame Orientierungsstufe eingerichtet wird. Grundsätzlich werden zentrale Abschlussprüfungen am Ende der Sekundarstufe eins und beim Abitur eingeführt. Das Abitur soll künftig schon nach zwölf abgelegt werden können.

Artikel vom 12.03.2005