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Bürokratie erdrückt Orchester

Förderung gekürzt: Volksmusikerbund NRW bleiben nur 277 000 Euro

Von Dietmar Kemper
Willebadessen (WB). Mehr Bürokratie, weniger Geld: Die Laien-Orchester sind in einer schwierigen Situation. »Kleine Musikvereine mit 50 Mitgliedern werden den gleichen gesetzlichen Pflichten unterworfen wie Bayern München«, klagt Helmut Bremer vom Volksmusikerbund NRW.
»Die Paragraphenreiterei demotiviert sehr, die Vorschriften müssen abgespeckt werden«, fordert Helmut Bremer vom Volksmusikerbund NRW. Am 18. März berät der Bundestag. Foto: Marius Thöne

Bremer aus der Kleinstadt Willebadessen im Kreis Höxter ist Geschäftsführer der Dachorganisation von 1000 Orchestern mit 45 000 aktiv musizierenden Mitgliedern. Der 61-Jährige sagte dieser Zeitung: »Es gibt zu viele Vorschriften und Fallstricke - immer weniger Menschen erklären sich bereit, einen Vorstandsposten zu übernehmen, weil sie Angst haben, mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten.« Weil sich niemand mehr finde, seien Vereine »über kurz oder lang in ihrer Existenz gefährdet«.
Vorsitzende seien gut beraten, eine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung abzuschließen, betonte Bremer. Heute drohe bereits dann Ärger, wenn ein Orchester ohne vorherige Anmeldung bei der GEMA ausrücke, um ihrem Ehrenvorsitzenden ein Ständchen zu bringen. Die GEMA ist die deutsche »Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte«. Sie leitet Lizenzbeiträge an Komponisten, Textdichter und Musikverleger weiter. Neben der GEMA machen die Finanzämter zu schaffen. Springt ein Musiker aus dem Nachbarort krankheitsbedingt ein und dirigiert für wenige Euro das Orchester, »gerät der Verein sofort in Gefahr, als Arbeitgeber lohnsteuerpflichtig zu werden«, erklärt Helmut Bremer.
Während die Bürokratie wuchert, verkümmert die finanzielle Förderung der Breitenkultur. Die eine Million Euro für die Laienmusik im Landeshaushalt sei 2003 auf 100 000 Euro zusammengestrichen worden, rechnete Bremer vor. Aus den Erlösen aus der staatlichen Sportwette Oddset erhielten die Vereine auch nur noch 60 Prozent dessen, was vor zwei Jahren ausgeschüttet wurde. »Faktisch steht uns für Vereine und Verband im laufenden Jahr nur eine Fördersumme von 277 000 Euro zur Verfügung«, bilanziert der Landesgeschäftsführer des Volksmusikerbundes NRW. Probenwochenenden müssten die Vereine zunehmend aus eigener Kasse bezahlen, weil der Zuschuss immer geringer ausfalle.
Die Finanzierung der Arbeit für die Laienmusik sei spätestens nach 2006 »in keiner Weise gesichert«, schrieb die Arbeitsgemeinschaft Laienmusik im Landesmusikrat NRW den Parteien. Wer bei der Landtagswahl im Mai die Stimme von Flötenspielern und Trompetern bekommen wolle, müsse den »Musikstandort NRW weiterentwickeln«. Nicht nur auf Landesebene bewegt das Thema die Gemüter. Die Entwicklung der Breitenkultur steht am 18. März auf der Tagesordnung des Bundestages. Ein greifbares Ergebnis erwartet Helmut Bremer nicht, betont aber zugleich: »Wir müssen auf unsere Sorgen aufmerksam machen und dann dran bleiben.« Es dürfe nicht sein, dass Vorsitzende Formulare häufiger in den Händen hielten als Notenblätter.

Artikel vom 09.03.2005