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Im Schneesturm
auf den Thron

Andrea Henkel holt Biathlon-Gold

Hochfilzen (dpa). Erst rang sie nach Luft, dann nach Worten. Andrea Henkel hat im Schneesturm von Hochfilzen den Durchblick behalten und ihrem Olympiasieg von Salt Lake City auf der langen Strecke weltmeisterliches Gold über 15 Kilometer hinzugefügt.

»Ich weiß nicht, was ich sagen soll«, stammelte sie. Sie griff erst nach dem hingehaltenen Handy des Team-Pressesprechers Stefan Schwarzbach und drückte gemeinsam mit der langlaufenden Schwester Manuela, die am anderen Ende der Leitung war, ein paar Freudentränen heraus.
Hinter der überglücklichen Andrea Henkel, die im Tiefschnee 52:37,5 Minuten für die 15 Kilometer benötigte und eine Scheibe verfehlt hatte, landete überraschend die Chinesin Ribo Sun (30,2 Sekunden zurück) sowie Linda Tjörhom (Norwegen/+34,3) auf den weiteren Medaillenrängen.
Andrea Henkel durfte erst wegen der Bronchitis von Martina Glagow mit nach Hochfilzen. 36 Stunden vor dem Start erfuhr Großbreitenbacherin von ihrem Einsatz, weil Simone Denkinger in Sprint und Verfolgung vor allem am Schießstand gepatzt hatte, während Henkel im Training wieder zu alter Sicherheit gefunden hatte. Sie stellte nach der Nominierung fest: »Ich wollte nicht als Tourist dabei sein, ich wollte diese Chance nutzen.«
Bundestrainer Uwe Müßiggang hatte wieder einmal alles richtig gemacht, auch wenn seine nominellen Asse Kati Wilhelm (Zella-Mehlis/ 27. Platz/5 Strafminuten), Katrin Apel (Frankenhain/33./4) und Doppel-Weltmeisterin Uschi Disl (Moosham/34./6), vor allem beim Schießen versagten. »Überrascht hat mich Andrea vor allem mit dem souveränen Laufen. Sie hat sogar auf der Schlussrunde noch Boden gut gemacht«, lobte er. Die nur 1,58 m große neue Weltmeisterin gab das Kompliment an die Skitechniker weiter. »Ich hatte super Ski. Da mein Stamm-Techniker Marko Danz etwas krank war, habe ich heute früh mit Arne Kluge die Ski getestet. Das war wie damals vor dem Gold-Rennen in Salt Lake und - nicht geschwindelt - daran habe ich heute früh gedacht«, berichtete die 27-jährige Bundeswehr-Sportsoldatin.
Henkel lief bei Dauerschneefall ein konstantes Rennen, hielt sich bei allen Zwischenzeiten unter den ersten Sechs. »Ich gebe ihr aber keine Platzierung«, funkte Heimtrainer Harald Böse von der vorletzten 3-km-Schleife. »Wenn sie hört, wie gut sie liegt, fängt sie vielleicht das Denken beim letzten Schießen an.« Doch kühl bis in Herz räumte Henkel auch die letzten fünf Scheiben ab. Vor dem 20. Schuss unterbrach sie aber kurz. »Mit dem letzten Schuss ist das immer so eine Sache - und die Windböen machten es nicht einfacher«, bestätigte Henkel später, dass sie mit allem Einsatz um den Treffer gekämpft habe.
Sie stürmte mit Bestzeit auf die letzte Runde und war da dann auch bestens informiert. »Als ich hörte, dass der Vorsprung sogar noch wächst, war das ein wunderschönes Gefühl«, jubelte sie.

Artikel vom 09.03.2005