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Draisinen-Spaß für jedermann

FH-Studenten entwickeln Weltneuheit für Behinderte zur Serienreife

Von Burgit Hörttrich
und Hans-Werner Büscher (Foto)
Bielefeld (WB). Die weltweit erste Draisine mit einer speziell für behinderte Menschen entwickelten Antriebstechnik erarbeiteten vierzehn Studierende der Fachhochschule (Studiengang Produktentwicklung) gemeinsam mit ihrem Professor Horst Langer. Die Auftragsarbeit wurde inzwischen patentiert. Die Draisine mit Rollstuhlfahrerplatz eröffnet am 1. April die Sommersaison auf der 18 Kilometer langen Strecke im Extertal.

Prof. Langer hat Draisinen-Erfahrung: 2001 wurde unter seiner Regie die erste Fahrrad-Draisine entwickelt, die bei der Fahrradfirma »Patria« in Serie ging. Inhaber Jochen Kleinebenne: »Wir haben bereits 120 dieser Fahrzeuge verkauft - sie fahren auf Strecken bei Berlin und in Süddeutschland.« Auch das behindertengerechte Modell will Kleinebenne produzieren, denn er ist sicher: »Bedarf ist da.«
Allein auf der Extertalstrecke werden jährlich 18 000 Besucher gezählt; betrieben wird die Strecke vom Touristikverein »Pro Rinteln«, dessen Leiterin Beate Behrens die Neuentwicklung anstieß: eine Draisine, die aktiv von Rollstuhlfahrern betrieben werden kann.
Prof. Langer betont, dass erhebliche technische Anforderungen an das Produkt gestellt wurden. Es musste höchsten Sicherheitsstandards genügen - die Strecke im Extertal überwindet immerhin 250 Höhenmeter Ñ, die Rollstuhlfahrer sollen im eigenen Rollstuhl sitzen bleiben können, und sie sollten über eine eigenständige Antriebseinheit verfügen. Aus Kostengründen sollten möglichst viele Komponenten von der Standard-Draisine übernommen werden. Die Fahrrad-Draisine kostet rund 4000 Euro, das Modell für Behinderte werde erheblich teurer, schätzt »Patria«-Chef Jochen Kleinebenne, »schon wegen der aufwändigen Antriebstechnik«.
Über eine Auffahrrampe kann der Rollstuhl auf die Draisine geschoben werden, auf »allergrößte Normalität« wurde Wert gelegt. Beim Antrieb ist der Rollstuhlfahrer nicht abhängig von seinen Mitfahrern: Die drei Antriebe sind so entkoppelt, dass jeder Fahrer sich frei entfalten und sein eigenes Tempo wählen kann.
Die Studenten investierten ein komplettes Semester in Entwicklung und Bau und legten damit ihre Fachprüfung ab. Sascha Einig betonte, es sei ihnen vorher nicht bewusst gewesen, wie viele Detailfragen zu klären waren. Die Draisine habe technischen und individuellen Anforderungen der Nutzer genügen müssen. Einig: »Wir haben etwas gebaut, was wirklich angenommen wird.« Denn alle Testläufe waren erfolgreich.
Informationen über die Extertalstrecke im Internet unter
www.draisinen.de

Artikel vom 09.03.2005