09.03.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Überragende Marion Kracht

»Die ist nicht von gestern« begeisterte das Publikum

Von Malte Samtenschnieder
Brackwede (mcs). Die fantastische Wandlung vom »dummen Blondchen« zur »kultivierten Powerfrau« vollzog Marion Kracht Sonntag bei einer Tourneetheater-Aufführung in der Realschule Brackwede.

Den Komödientitel »Die ist nicht von gestern« murmelte dabei mancher Zuschauer der grandios agierenden Schauspielerin nach dem tosenden Schlussapplaus als verdientes, ehrliches Kompliment hinterher.
Bisweilen schien es, als sei die bereits 1946 unter dem Titel »Born Yesterday« am New Yorker Broadway uraufgeführte Komödie von Garson Kanin Marion Kracht auf den Leib geschrieben. Dank ihrer großartigen Bühnenpräsenz zog die Akteurin als temperamentvolle Billie über weite Strecken der Handlung nahezu die gesamte Aufmerksamkeit des Publikums wie ein Magnet auf sich.
Zunächst als flippiges, naives Partygirl, das mit Schmuck behängt wie ein Weihnachtsbaum auf Zehn-Zentimeter-Absätzen popo-wackelnd über die Bühne stolzierte, und später als schlicht gekleidete, ernsthafte, selbstbewusste Frau, die über den Sinn des Lebens nachdenkt, verdrehte die Schauspielerin den Zuschauern die Köpfe.
Liebhaber Harry (Werner Haindl), der Billie als gefühlskalter, skrupelloser Geschäftsmann rücksichtslos herumschubst, und Journalist Paul (Ottokar Lehrner), der Billie binnen kurzer Zeit gesellschaftstauglich fortbilden soll und sich dabei in sie verliebt, fungierten vorwiegend als Stichwortgeber.
Als weiteres »Salz in der Suppe« verliehen Harrys geschäftstüchtiger Anwalt Ed (Lutz Bembenneck), sein naiver Lakai Eddie (Jens Wassermann) sowie das von sich eingenommene Senatorenehepaar Hedges (Friedrich Graumann und Claudia Sauermann) dem Handlungsverlauf turbulente Rasanz.
Billies fingerfertige Kartentricks am futuristischen Couchtisch oder ihre beschwingte Balletteinlage durch die in Ocker und Rot gehaltene Hotelzimmer-Kulisse, Harrys rauer Umgangston, der das Publikum regelmäßig zusammenzucken ließ, und Pauls schüchterne Versuche, den zunehmenden Avancen Billies zu entgehen, waren kennzeichnend für den routiniert aber dennoch mit Biss servierten Theaterspaß.
Trotz des hohen Unterhaltungswerts geriet die Komödie zugleich als Plädoyer für mehr Menschlichkeit. So machten die Akteure deutlich, dass man mit Geld nicht alles kaufen kann, schon gar nicht die Zuneigung eines anderen Menschen. Stattdessen arbeiteten sie eine Philosophie des »Gebens und Nehmens« als Prototyp eines gesunden Miteinanders heraus.
Tosender Schlussapplaus des begeisterten Brackweder-Kulisse-Publikums war den Darstellern mit dieser Leistung nach der Aufführung gewiss. So macht Boulevard-Theater Spaß.

Artikel vom 09.03.2005