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Kinder mit Serien
ans Buch gefesselt

Verleger Franz Schneider wird heute 80 Jahre alt

Von Dietmar Kemper
Bielefeld (WB). Millionen Kinder haben Hanni und Nanni gelesen. Der Buchklassiker wird im Herbst 40 Jahre alt, sein Verleger Franz Schneider heute 80. Er hat die Branche geprägt wie kaum ein anderer.
Franz Schneider setzte auf den »Suchteffekt«.

»Schneider-Bücher sind eine Marke wie Nivea«, stellt Klaus Willberg fest. Der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft von Jugendbuchverlagen (avj) beschreibt das Erfolgsrezept von Franz Schneider so: »Er hat leicht verdauliches Lesefutter zum günstigen Preis geliefert.« Schneider verbringt seinen 80. Geburtstag fernab der Öffentlichkeit und gibt keine Interviews. Seitdem er 1985 seinen Verlag an die dänische Egmont-Gruppe verkaufte, »hat er sich aus dem Geschäft total zurückgezogen«, sagte die Cheflektorin des Egmont Franz Schneider Verlags in München, Vera Fiebig, gestern dieser Zeitung.
Das Buchgeschäft lernte Schneider von der Pike auf. Nicht einmal 22 Jahre alt, wurde er Mitinhaber des Verlags, den sein Vater 1913 in Berlin gegründet hatte. Der erfolgreichste Kinderbuchverleger brachte in 40 Jahren mehrere tausend Bücher mit einer Gesamtauflage von 150 Millionen Exemplaren heraus und machte Autoren wie Enid Blyton, Oliver Hassencamp, Erich Kuby und Jo Pestum in Deutschland populär.
»Der Verlag hat früh nicht auf einzelne Bücher, sondern auf Serien gesetzt«, erklärte Vera Fiebig. Das Spekulieren auf den »Suchteffekt« habe sich ausgezahlt, wie der Erfolg von »Hanni und Nanni« zeige. Im Hinblick auf die Aussagen der Bücher habe Schneider darauf geachtet, dass Jungen und Mädchen während der Lektüre Werte wie Toleranz und Freundschaft vermittelt bekommen.
Der Verleger liebt außer der Literatur die Kunst und das Fliegen. Bis zu seinem letzten Start vor fünf Jahren legte er 400 000 Kilometer über den Wolken zurück. Als Schöngeist schätzt er die Pop-Art besonders. Müsste Schneider als Verleger heute neu anfangen, hätte er es schwerer als früher. »Die Branche ist schnelllebig«, beklagt Klaus Willberg: »Heute ist ein Buch nach drei, vier Monaten aus dem Laden verschwunden - früher gab es weniger Bücher und die guten fielen stärker auf.« In den Buchhandlungen regiere die Warenwirtschaft, nicht das Gefühl für gute Bücher, sagte der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft von Jugendbuchverlagen dieser Zeitung.
Bei Egmont setzt man auf Autoren wie Thomas Brezina, dessen Serie »Das Tiger-Team« Kinder fasziniert. Zum modernen Klassiker habe sich eine kleine Hexe entwickelt, berichtete Vera Fiebig. »Bibi Blocksberg und das Geheimnis der blauen Eulen«, das Buch von Elfie Donnelly zum zweiten Kinofilm, verkaufe sich sehr gut. Fiebig: »Es ist nicht so, dass Kinder heute nicht mehr lesen.«

Artikel vom 08.03.2005