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Politiker im
»Alltagstest«

Drei Tage im »normalen Leben«

ZDF, 22.45 Uhr: »Ich find's immer spannend, Menschen kennen zu lernen«, sagt Jürgen Rüttgers, während er sich zu dem Reihenhaus in Essen chauffieren lässt.

Dort wird der nordrhein-westfälische CDU-Chef für drei Tage Haushalt und Lehrerberuf einer allein erziehenden Mutter übernehmen und mit 58,51 Euro Haushaltsgeld auskommen. »3 Tage Leben - Der Alltagstest für Politiker« nennt das Zweite seine neue dreiteilige Doku-Reihe, die heute startet. Fünf Kinder sind es, die Rüttgers bei seinem 72-stündigen Ausflug in das Alltagsleben »ganz normaler Bundesbürger« kennen lernt, für die er kocht, den Tisch deckt und einkauft.
»Dies ist eine Sendeidee, die uns schon länger beschäftigt«, betont die Leiterin der ZDF-Hauptredaktion Innenpolitik, Bettina Schausten. »Wir wollten der Frage nachgehen, ob es tatsächlich so ist, dass Politiker den Kontakt zum normalen Leben verloren haben.« Autor Michael Funken ergänzt: »Wie verhält sich ein Politiker im Leben von Leuten, die er vertreten soll?«
Kandidaten in der Politik zu finden, sei schwer gewesen, räumt Schausten ein. Es habe Vorbehalte und Terminprobleme gegeben. Und die Hoffnung, prominente Teilnehmer aus der Bundespolitik zu finden, zerschlug sich ebenfalls.
Am Ende zogen neben Rüttgers die Fraktionschefin der Grünen im sächsischen Landtag, Antje Hermenau (morgen, 22.45 Uhr), und die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesinnenministerium, Ute Vogt (SPD), in den Alltag des Wahlvolks. Hermenau, die einen Kulturschock befürchtete, bekam für drei Tage den Job der Hamburger Inhaberin einer Kinder-Model-Agentur mit luxuriösem Zuhause.
Die kinderlose Vogt (Donnerstag, 23 Uhr) übernahm drei Tage lang eine Vollzeitstelle bei der »Berliner Tafel« und kümmerte sich um den 19 Monate alten Sohn ihrer »Tauschpartnerin«. Man sollte sich als Politiker immer bemühen zu wissen, wie andere Menschen leben, betont sie.
Dass die Zuschauer allerlei lustige Szenen zu sehen bekommen, überrascht nicht. Etwa wenn Hermenau, die resolut zur Sache geht, sich mit dem Fotografieren von Kindern herumschlägt und bei einem kleinen Jungen mehrfach »die Haare bisschen glattmachen« muss. Oder wenn Vogt einem Helfer der »Tafel« erzählt, dass sie bei Otto Schily arbeitet und der sie fragt: »Als Sekretärin?« Die Berufspolitikerin zuckt nur kurz: »Ja, Staatssekretärin.«
Natürlich war den Machern bewusst, dass Politiker Profis im Umgang mit der Kamera und in der Selbstinszenierung sind. Es habe sich aber um Situationen gehandelt, auf die sie kein Referent vorbereiten konnte, findet Klenke. So räumte Ute Vogt am Ende auch ein, dass sie froh sei, wieder zurück zu können. Ihren Kollegen ging's nicht anders.

Artikel vom 08.03.2005