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Streit um
Rinderseuche

Forschung steht noch am Anfang

Frankfurt/Riems (WB/ist/dpa/AP). Wissenschaftler streiten über mögliche Zusammenhänge zwischen der Tierseuche Paratuberkulose bei Rind, Schaf und Ziege und der chronisch-entzündlichen menschlichen Darmerkrankung Morbus Crohn.

Für Professor Thomas Mettenleiter von der Bundesforschungsanstalt für Tiergesundheit auf der Ostseeinsel Riems gibt es keine Beweise für eine mögliche Übertragung. »Schweden ist seit Jahrzehnten frei von Paratuberkulose und hat etwa die gleiche Morbus-Crohn-Rate wie Deutschland«, sagte er. Auch gebe es bei Angestellten in Rinderbetrieben oder auf Schlachthöfen in Deutschland kein erhöhtes Auftreten der Krankheit. Eine aktuelle Studie aus der britischen Wissenschaftszeitschrift »The Lancet« habe zu wenige Teilnehmer gehabt. Amerikanische Forscher hatten darin bei 13 von 28 untersuchten Morbus-Crohn-Patienten den Erreger der Paratuberkulose nachgewiesen.
Der Gießener Professor Hans-Ulrich Klör, Spezialist für Magen- und Darmkrankheiten, hält dagegen die Hinweise, dass Morbus Crohn und Paratuberkulose zusammen hängen, für »sehr stark«. Beide Erkrankungen hätten die selben Symptome, etwa chronischen Durchfall und schwere Schädigungen im Darm.
Wie gestern berichtet, löst das so genannte MAP-Bakterium (Mycobacterium avium paratuberculosis) die Tierseuche Paratuberkulose aus. Wie und ob der Erreger auf den Menschen übertragen wird, ist jedoch unklar. Die Tierärztin Katja Lohmann-Müller vom Bundesverband Praktizierender Tierärzte, Frankfurt, sagte dieser Zeitung, dass die Forschung erst am Anfang stehe. Ihren Angaben zufolge »verdichten sich Hinweise, dass Menschen mit bestimmter genetischer Disposition auf MAP empfindlicher reagieren.« Sie riet zu Vorsicht bei roher Milch oder Rohmilchprodukten, die in Deutschland aber ohnehin weniger verbreitet seien. Wichtig sei es, flächendeckend festzustellen, wie viele Tiere infiziert sind.
Professor Mettenleiter zufolge werden in Deutschland etwa 300 Fälle von Paratuberkulose beim Rind nachgewiesen, die Infektionsrate liege allerdings vermutlich höher. Derzeit gebe es jedoch gar keinen speziellen Test auf MAP-Bakterien. Seit Jahren arbeite auch sein Institut an einem solchen Verfahren, das aber sehr schwierig zu entwickeln sei.
Der Sprecher des bayerischen Verbraucherschutzministeriums wiederum bezeichnete gestern einen Zusammenhang zwischen Morbus Crohn und der Rinderkrankheit Paratuberkulose als »eher unwahrscheinlich«. Studien einer Arbeitsgruppe in Bayern hätten keinen Hinweis ergeben.
Bis zum 18. März sollen in Bayern Untersuchungen über die Verbreitung von MAP abgeschlossen werden. Schlachtrinder, bei denen aufgrund von Symptomen ein Verdacht auf die Krankheit bestehe, kämen aber ohnehin nicht auf den Markt.

Artikel vom 08.03.2005