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Wie gemalte Plastiken:
Kunstvolles auf Ostereiern
Schönes und Kurioses im Museum in Sonnenbühl auf der Schwäbischen Alb
Das erste und einzige Ostereimuseum Deutschlands ist in Sonnenbühl auf der Schwäbischen Alb beheimatet.
In einem schön renovierten Fachwerkhaus an der Hauptstraße des Sonnenbühler Teilortes Erpfingen im Landkreis Reutlingen ist das Ostereimuseum untergebracht. Vorsichtig nimmt Anna Barkefeld ein Ei aus der Vitrine. »Das hier ist aus dem Jahr 1899 und stammt aus Hessen«, erläutert die Museumsleiterin. Das rote Ei in ihren Händen gehört zu den ältesten Stücken in dem Museum, das 1993 eröffnet wurde. Seit 1997 wird es von der Kunsthistorikerin geleitet. »Glück, Zufriedenheit, frohes Tun« ist auf dem Oval in gestochen scharfem Sütterlin zu lesen. Wie viele Eier wurde auch dieses einst zum Andenken verschenkt. Der Brauch des Eier-Schenkens geht vermutlich auf den noch älteren Brauch, der Abgabe von Zinseiern am Gründonnerstag, zurück. Als sich Geld als Zahlungsmittel immer mehr durchsetzte, wurde das Ei verschenkt: an Königshöfen genauso wie in Klöstern oder im Dorf, an Arme und Kranke, an Pfarrer und Bürgermeister und vor allem an Freunde und an die Liebsten.
Ein Symbol für den Ursprung allen Lebens ist das Ei nicht nur in der christlichen Religion. Auch in China erzählt man, dass sich vor Urzeiten ein Ei geteilt habe, und aus dessen Hälften seien Himmel und Erde entstanden. Im Christentum kommt dem Ei als Symbol für die Auferstehung Christi eine besondere Bedeutung zu. Die ersten verzierten Ostereier sind schon aus frühchristlicher Zeit bekannt. »Ursprünglich waren sie rot gefärbt; sie sollten an das Blut Christi erinnern«, erläutert die Kunsthistorikerin. Doch rote Eier haben auch im Volksbrauchtum ihren festen Platz. In Bulgarien wurden damit junge Mädchen für Tanz und Gesang belohnt, in Rumänien hießen rote Eier »Liebe der jungen Mädchen«, und in Liechtenstein überreichten junge Frauen ihren Auserwählten rote Eier.
Mit einer schmalen Feder und warmem Bienenwachs wurden Text, Bordüren und Muster sorgfältig aufgetragen. Dann wurde das Ei gefärbt und nach dem Trocknen das Wachs wieder abgewischt. Diese Kunstfertigkeit wurde von Generation zu Generation weitergegeben. Wer selbst nicht so viel Geschick hatte, ließ die Eier anfertigen und bezahlte nicht selten wiederum mit Eiern. In der Lausitz, im Odenwald und Mittelhessen wird die Tradition des Eierverzierens bis heute bewahrt.
»Zum Andenken - Verziertechniken aus Hessen« hieß daher die erste Sonderausstellung zur Eröffnung des Museums. Mehr als 200 000 Besucher wurden seither gezählt, und der Museumsführer ist inzwischen in deutscher, französischer und englischer Sprache erhältlich. Demnächst wird es auch eine Broschüre für Kinder geben.
Herzstück des dreistöckigen Museums sind die Vitrinen im ersten Stock. Die Dauerausstellung zeigt Natureier in allen Größen und Exponate aus der ganzen Welt. Der Bestand des Museums ändert sich permanent. 6000 Eier zählt er derzeit; davon sind 1200 Eier in der Dauerausstellung und etwa 450 Eier in wechselnden Sonderausstellungen zu sehen. Zudem hat das Musem den Bestand des »Berner Ostereiermärits« - das ist der älteste Ostereiermarkt im deutschsprachigen Raum - mit 1500 Eiern aufgekauft.
Vor der Vitrine der deutschen Eier-Künstler zeigt Anna Barkefeld auf ein Batik-Ei von Petra Plath aus Dresden: leuchtend rote, weiße und lila Stiefmütterchen auf schwarzem Hintergrund. Längst ist auch auf den Eiern die Grenze vom Kunsthandwerk zur Kunst überschritten worden. Das verzierte »Schenk-Ei« hat sich zum Kunstobjekt entwickelt. Zeitgeist und Trends machen auch vor den zerbrechlichen Naturprodukten nicht Halt: So ist ein »Coke-Ei« zu entdecken, ein anderes kommt punkig mit Sicherheitsnadel daher, und auch das Antlitz von Britney Spears wurde in Folie auf das Oval geklebt.
Immer neue Techniken werden von Künstlern erprobt und auf den Eiermärkten gezeigt. Darauf warten die Sammler: »Das Faszinierende ist das Dreidimensionale. Ein Ei ist eine Art gemalte Plastik«, erklärt die Museumsleiterin. Die Preise für künstlerisch gestaltete Eier bestimmen wie überall Angebot und Nachfrage. Für ein feines Aquarell auf dünner Schale der niederländischen Malerin Nelleke Reeskamp werden zum Beispiel Summen im dreistelligen Bereich bezahlt.
Kostbares - wie Porzellan-Eier von KPM, der königlichen preußischen Manufaktur - hat die Museumsleiterin auch in ihrer Sammlung. Schließlich sind Eier aus Porzellan, Glas oder Keramik der zweite große Schwerpunkt der Sammlung in Erpfingen. Die Nachbildung eines Eis von Carl Fabergé, Künstler am russischen Zarenhof um 1914, der die Schenk-Eier für die Zarenfamilie aus Gold, Silber, Platin und Edelsteinen fertigte, ist ebenfalls dabei. »Vielleicht schenkt uns ja mal jemand ein echtes«, meint Anna Barkefeld augenzwinkernd. Aber auch ohne echtes Fabergé-Ei gehört das Ostereimuseum in Sonnenbühl wie auch das nahe gelegene romantische Schloss Lichtenstein oder die unverwechselbaren Ausblicke vom Albtrauf längst zu den besonderen Kleinoden auf der Schwäbischen Alb.

Artikel vom 12.03.2005