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Sich dem Leiden ganz aussetzen

Der Gemischte Chor »Die Leineweber« führt Bachs Matthäus-Passion auf

Von Uta Jostwerner (Text) und Bernhard Pierel (Foto)
Bielefeld (WB). Chöre, denen nichts abverlangt wird, sterben aus, meint Dr. Michael Hoyer. In den zwei Jahren, die Hoyer nun den Gemischten Chor »Die Leineweber« leitet, hat er deutlich neue Akzente gesetzt und die Anforderungen gesteigert. Neuestes ehrgeiziges Projekt ist die »Matthäus-Passion« von Johann Sebastian Bach, die am Sonntag, 13. März, in der Johanniskirche aufgeführt wird.

Nein, er wolle ganz bestimmt nicht antreten und den großen Oratorienchören der Stadt Konkurrenz machen, versichert der Chorleiter. Bei der Programmgestaltung indes habe die Frage nach der Platzierung des Chores eine Rolle gespielt. Anreize müssten geschaffen werden, sagt Hoyer, um dem Chor eine Perspektive zu geben. Und dazu wolle er die gesamte Breite der Chorliteratur nutzen.
Die »Matthäus-Passion« bietet sich an, ist doch die Chorpartie nicht so virtuos angelegt wie bei der kleineren »Johannes-Passion«. »Der Chor ist nie allein«, betont Michael Hoyer, der seit dem Sommer das Werk mit Leineweberchor und Gästen einstudiert.
Zudem nutzt Hoyer seine guten Kontakte zur Musikhochschule Detmold und kann somit auf ausgezeichnete Solisten und Solistinnen zurückgreifen. Mit dem Polifonia-Ensemble, einem aus dem Hochschulorchester hervorgegangenen Kammerorchester aus Profis und engagierten Laien, hat Michael Hoyer den Orchesterpart separat einstudieren können. Vorab gibt es mehrere Proben mit Chor und Orchester. »Da kommt was anderes dabei heraus, als wenn ich zum Beispiel das Philharmonische Orchester der Stadt einkaufen würde. Man bekäme zweifellos handwerkliche Qualität, hätte aber nur eine Durchlaufprobe.«, erklärt der Dirigent.
Was den interpretatorischen Ansatz anbelangt, so strebt Hoyer eine barocke Aufführungspraxis gar nicht erst an. »Ich glaube nicht, dass sich Bach auf einen Barockspezialisten reduzieren lässt«, meint der Chorleiter und strebt daher eine Werkwiedergabe an, die sich sowohl ideell als auch stilistisch von der heute üblichen historischen Aufführungspraxis unterscheidet. »Mir geht es um die Vermittlung von Inhalten«, betont Hoyer. Und so stellt er sich vor, dass der Hörer über den schieren Musikgenuss hinaus zur Auseinandersetzung mit der Geschichte vom Leiden und Sterben Jesu Christi animiert wird.
Streichungen des gut vierstündigen Werkes erübrigen sich für Hoyer: »Das spirituelle Moment soll im Vordergrund stehen. Deshalb verzichte ich nicht auf inhaltlich konstituierende Teile. Man muss sich dem Werk und dem Passionsgedanken ganz aussetzen.« Um die theologische Aussage der »Matthäus-Passion« gedanklich genauer herauszuarbeiten, wird Professor Elke Axmacher am Freitag, 11. März, einen Vortrag in der Universität, Raum T0-260, halten. Er beginnt um 20 Uhr.
Karten für die Aufführung sind in der Tourist-Information erhältlich sowie in der Jürmker Bücherstube, den Buchhandlungen Welscher und Kutzner sowie im Musikhaus Niemeyer.

Artikel vom 05.03.2005