05.03.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Star dirigierte
sich mal selbst

Lorin Maazel wird 75 Jahre alt

Von Gisela Ostwald
New York (dpa). Wenn Lorin Maazel an diesem Sonntag seinen 75. Geburtstag feiert, hat seine eindrucksvolle Karriere einen weiteren Höhepunkt erreicht: Überredet von Zubin Mehta, dem Chef der New Yorker Philharmoniker, stellte sich der musikalische Superstar am vergangenen Dienstag erstmals in einer Doppelvorstellung vor: Maazel dirigierte Maazel.

So etwas gab es - mit Ausnahme von Gustav Mahler und Leonard Bernstein - seit Mendelssohn, Berlioz und Wagner nicht mehr. Dabei komponiert Maazel, wie er ungewöhnlich bescheiden zugibt, eigentlich »nur aus Spaß«. Er sei wohl »der einzige Komponist der Welt, dem es egal ist, ob seine Musik aufgeführt wird oder nicht«, sagte er kürzlich in einem Interview. Für seine vorgezogene Geburtstagsfeier mit den New Yorker Philharmonikern hatte er fünf »leichte und schwerere Kompositionen« ausgewählt. Seine erste und bisher einzige Oper, »1984« nach George Orwell, wird Anfang Mai in London uraufgeführt.
Der in Paris geborene Amerikaner verfügt aber nicht nur über zwei Begabungen. Er ist ein Dreifachtalent: als Virtuose auf der Violine, als Star unter den Dirigenten der Gegenwart und als beachteter Komponist. Maazel spricht etliche Sprachen fließend, darunter auch die seiner deutschen Ehefrau, der Schauspielerin Dietlinde Turban, und ist in allen Konzertsälen der Welt daheim.
Maazel, das »Wunderkind«: Mit fünf Jahren nahm er seine erste Violinstunde, mit sieben lernte er mit dem Taktstock umzugehen, und mit acht dirigierte der Schüler von Vladimir Bakaleinikoff erstmals ein Orchester. Am Pult der New Yorker Philharmoniker, dem ältesten und renommiertesten Orchester der USA, hatte Maazel als Zehnjähriger das erste Mal gestanden. 1960, mit 30 Jahren, debütierte er als erster Amerikaner und jüngster Dirigent in Bayreuth mit Richard Wagners »Lohengrin«. Zwei Jahre später gab er seine erste Vorstellung an der New Yorker Metropolitan Oper und feierte im gleichen Jahr seinen Einstand als Dirigent bei den Salzburger Festspielen.
2002 verließ er seinen Posten als Chefdirigent des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks (BR) und löste den deutschen Meisterdirigenten Kurt Masur als Musikdirektor der New Yorker Philharmoniker ab. Zwar hatte er ursprünglich erklärt, dass er sich nach München mehr dem Komponieren widmen und kein Orchester mehr leiten wolle. Doch dann lockte ihn offenbar die Nähe des neuen Arbeitsplatzes zu seiner Ranch in Virginia und das Renommee des gefeierten Orchesters.
»Die humane Qualität der Kunst ist für mich das Wichtigste« - mit dieser Botschaft prägte Maazel über Jahrzehnte hinweg die internationale Musiklandschaft. Doch lösen seine Auftritte auch immer wieder Kritik aus. Sowohl sein Führungsstil als auch seine »emotionale Kühle« beim Dirigieren werden ihm angelastet. Musiker, die mit ihm zusammenarbeiteten, sagen Maazel »Selbstherrlichkeit« und »Arroganz« nach.

Artikel vom 05.03.2005