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Die Wertheim-Erben siegen
im Streit mit KarstadtQuelle

Konzern muss Nachfahren der jüdischen Kaufmannsfamilie entschädigen

Berlin (AP). Gut 70 Jahre nach der Enteignung durch die Nazis haben die Nachfahren der jüdischen Kaufmannsfamilie Wertheim einen Erfolg im Kampf um Wiedergutmachung gegen KarstadtQuelle erzielt. Das Verwaltungsgericht Berlin wies am Freitag eine Klage des Konzerns ab und bestätigte den Anspruch der Wertheims auf ein Grundstück im Herzen Berlins.Die Sprecherin der Wertheim-Erben, Barbara Principe, vor einem Poster des früheren Wertheim-Kaufhauses an der Leipziger Strasse in Berlin, betonte, dass dies »ein großer Tag für unsere Familie« ist.
Die früheren Wertheim-Grundstücke befinden sich in Top-Lagen Berlins.
Vor Gericht wurden sie von der Jewish Claims Conference (JCC) vertreten.
Wertheim-Anwalt Matthias Druba wertete den Richterspruch als »Grundsatzurteil« für weitere Vermögenswerte. Druba sagte, von dem Verfahren gehe ein »Signal für andere Grundstücke aus«. Unter anderem fordert die JCC noch 145 Millionen Euro Entschädigung von KarstadtQuelle für Grundstücke im so genannten Lenné-Dreieck am Potsdamer Platz. Das gut zwei Hektar große Filetstück war im April 2000 von Karstadt an den Metro-Gründer Otto Beisheim verkauft worden. Insgesamt geht es Druba zufolge um etwa 50 Grundstücke mit einem Wert zwischen 300 und 500 Millionen Euro.
In dem Verwaltungsgerichts-Verfahren ging es um auf 20 Millionen Euro taxierte Grundstücke an Berlins Leipziger Straße beziehungsweise deren Verkaufserlös. Das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen hatte sie 2001 der Claims Conference zugesprochen. KarstadtQuelle als Besitzer klagte dagegen, hatte aber vor dem Verwaltungsgericht keinen Erfolg. Revision wurde nicht zugelassen. Die Konzern-Anwälte kündigten jedoch Beschwerde dagegen an.
Der Vorsitzende Richter erklärte zur Begründung, dem Gesetzgeber gehe es bei der Wiedergutmachung »nicht um Geschäftsanteile, sondern um das Schicksal der ursprünglich Geschädigten«. Nach dem Mauerfall waren die ehemaligen Wertheim-Grundstücke dem Warenhauskonzern Hertie zugesprochen worden, der später von KarstadtQuelle übernommen wurde.
Die Sprecherin der Wertheim-Erben, Barbara Principe, freute sich »über einen großen Sieg für unsere Familie. Und das nach so langer Zeit.« Der Repräsentant der JCC in Deutschland, Moshe Jahoda, sagte, der Gerichtsbeschluss »gereicht nicht nur der Gerechtigkeit gegenüber den Opfern zur Ehre, sondern bekräftigt auch den Geist des Gesetzes und die humane Absicht der Gesetzgeber«. Der größte Teil der ehemaligen Wertheim-Grundstücke befinde sich »in der Verfügungsgewalt der Bundesrepublik«. Er sei aber zuversichtlich, dass es mit dem Bund zu einer fairen Einigung komme. Nach JCC-Angaben sind beim Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen derzeit noch mehr als 40 weitere Verfahren zu Wertheim-Grundstücken anhängig. JCC-Vizepräsident Gideon Taylor äußerte die Hoffnung, dass das Grundsatzurteil zu kurzfristigen Entscheidungen des Amtes führen werde.
1937 zwang Adolf Hitler einer Wertheim-Chronik zufolge den Konzern zum Verkauf der überwiegend im Ostteil Berlins gelegenen Grundstücke an die Nazi-Regierung. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs beschlagnahmte die Sowjetunion große Teile des ehemaligen Wertheim-Grundbesitzes und übertrug sie später der DDR-Regierung.
Nach dem Mauerfall wurden die Grundstücke dem Warenhauskonzern Hertie zugesprochen. Die Claims Conference ist der 1951 gegründete Dachverband 24 internationaler jüdischer Organisationen. Sie vertritt die Interessen der jüdischen Gemeinschaft bei Verhandlungen zur Entschädigung von NS-Opfern und deren Erben.

Artikel vom 05.03.2005