03.03.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Das Armutsrisiko wächst

Schere zwischen Gering- und Großverdienern öffnet sich weiter

Berlin (AP/dpa). Wirtschaftsflaute und zunehmende Arbeitslosigkeit erhöhen das Armutsrisiko in Deutschland. Der Anteil der Betroffenen ist von 1998 bis 2003 von 12,1 auf 13,5 Prozent gestiegen.

Das geht aus dem 2. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung hervor. Die Opposition bezeichnete ihn als »Armutszeugnis« für die Bundesregierung und warf Rot-Grün Versagen vor. Der Staatssekretär im Sozialministerium, Franz Thönnes, betonte dagegen, die Regierung steuere einen funktionierenden Sozialstaat. Keine Gruppe sei »abgehängt« worden. Er wies darauf hin, dass das Armutsrisiko ebenso wie die Arbeitslosigkeit bis 2000 zurückgegangen, mit den weltweiten Wirtschaftseinbrüchen seit 2001 aber wieder angestiegen sei. Zudem seien Maßnahmen wie die Arbeitsmarktreform auf den Weg gebracht worden, die noch wirken müssten. Die Entwicklung von Armut und Reichtum der Sozialpolitik anzulasten, sei »Unsinn«, meinte Thönnes.
Über Vermögen entschieden Zinsraten und Börse, bei der Armut sei aber »die zentrale Frage: Hab' ich einen Job oder hab' ich keinen?«. Dies bleibe zentrales Arbeitsfeld der Regierung. Der Bericht macht Arbeitslosigkeit als Hauptursache von Armut aus. Der großen Mehrheit gehe es gut, doch sei Armut kein Randphänomen. Im europäischen Vergleich gehört Deutschland nach Dänemark und Schweden zu den Ländern mit dem geringsten Armutsrisiko.
Dieser Begriff bezeichnet nach EU-Definition den Anteil der Bürger in Haushalten, die mit weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens auskommen müssen, also höchstens 938 Euro haben. Erwerbstätige, Selbstständige und ältere Menschen haben ein geringes Armutsrisiko, ebenso Paare mit zwei Kindern. Alleinerziehende dagegen sind überdurchschnittlich oft betroffen. Am anderen Ende der Skala wuchsen die Vermögen privater Haushalte weiter und erreichten eine Summe von fünf Billionen Euro, das sind durchschnittlich 133 000 Euro pro Haushalt. Von 1998 bis 2003 stieg das Nettovermögen nominal um 17 Prozent. Während die unteren 50 Prozent der Haushalte weniger als vier Prozent des gesamten Vermögens haben, besitzen die reichsten zehn Prozent knapp 47 Prozent, zwei Prozent mehr als 1998.
»Rot-Grün macht arm«, erklärte CDU-Generalsekretär Volker Kauder. Seit Amtsantritt von Kanzler Gerhard Schröder habe sich die Schere zwischen Arm und Reich weiter geöffnet.
Die christlichen Kirchen forderten einen »radikalen Wandel« in der Familien- und Bildungspolitik. Diese müsse »mehr und mehr als integraler Bestandteil der Sozialpolitik verstanden werden«, hieß es in einer Erklärung des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Deutschen Bischofskonferenz. Es gelte, alle Kinder nach ihren Fähigkeiten zu fördern. Die Kirchen bezeichneten die hohe Zahl von Kindern, die in Armut leben, als »Skandal«. Es sei die Pflicht von Staat und Gesellschaft, »dafür zu sorgen, dass ihr größter sozialer Reichtum und ihre wichtigste Zukunftsperspektive, nämlich Kinder, nicht in materielle Armut führt«. S. 4: Kommentar

Artikel vom 03.03.2005