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»Wir kommen nicht zu spät«

Bundeskanzler auf Werbetour - Gestern drei Golfstaaten an einem Tag

Von Joachim Schucht
Manama (dpa). Schon zur Halbzeit der strapaziösen Tour gab es kleine Aussetzer. Als am Dienstag zu später Stunde eine Torte zum 65. Geburtstag von Außenamts-Staatssekretär Jürgen Chrobog in den Hotelsalon in Kuwait-City gerollt wurde, war der Kanzler irritiert: »Wie, das war doch schon gestern.«
Gerhard Schröder wurde gestern in Bahrein von Säbeltänzern empfangen. Der Kanzler wirbt bei seiner siebentägigen Reise durch die Golfstaaten für deutsche Waren und politische Zusammenarbeit. Foto: dpa
Das Zeitgefühl kommt durcheinander, wenn man - wie Gerhard Schröder derzeit - pausenlos unterwegs ist. 70 Termine im Durchschnitt - zehn pro Tag - sind im Programm von Schröders einwöchiger Werbereise für deutsche Produkte kreuz und quer durch die arabische Halbinsel aufgelistet. Dazu kommen noch ungeplante Einlagen. Tief in der Wüste kommentierte Schröder die unerfreulichen Arbeitslosenzahlen von daheim.
Gleich drei Staaten an einem Tag wie gestern, als er Katar, Bahrein und Jemen besuchte, war selbst für Schröders kraftzehrende Reisegewohnheiten ein Rekord. Sein Hauptthema, kräftig die Werbetrommel für die deutsche Wirtschaft zu rühren, bringt der Kanzler meist vor der lokalen Geschäftswelt unter die Leute. In Deutschland gebe es »erstklassige Unternehmen« die alles, was in der Boom-Region so gebraucht werde, liefern könnten, lautet einer seiner Standardsätze.
Manchmal geht Schröder sogar recht kühn vor. In Saudi-Arabien, wo nur bescheidene Aufträge übrig blieben, sagte er vor der Abreise, er komme gern wieder - aber dann müssten »die Dimensionen« schon stimmen. Ein Bahnprojekt müsse es dann schon sein.
Bei den Überzeugungsversuchen verzichtet Schröder darauf, noch einmal an seine konsequente Antikriegshaltung in Sachen Irak zu erinnern. Im Publikum weiß das ohnehin jeder. Doch kleine Sticheleien lässt er einfließen, um gutes Wetter bei den Gastgebern für die deutsche Wirtschaft zu machen. »Wir wollen nicht dominieren«, heißt es recht deutlich in Richtung Washington.
Globalisierung, darunter versteht Schröder nicht nur die Verteilungskämpfe zwischen Unternehmen, sondern zunehmend auch den gnadenlosen Konkurrenzkampf ganzer Nationen um Marktanteile. Und dabei kann es sich der Exportweltmeister Deutschland nicht länger leisten, anderen einfach das Feld zu überlassen. Ohnehin hat die deutsche Wirtschaft erst recht spät den neuen Boom in den Golf-Staaten bemerkt. Bei den gigantischen Projekten, mit denen die Petrostaaten sich für die »Nachölzeit« rüsten, kamen bislang vor allem Amerikaner, Briten und Franzosen zum Zuge. »Wir kommen spät, aber nicht zu spät«, gab sich Schröder entschlossen.
Ihre starke Position auf den neuen arabischen Boom-Märkten verdanken die deutschen Mitbewerber aber auch ihren Rüstungslieferungen. Eine lange Wunschliste aus der Region wurde dazu Berlin übermittelt. Dazu gehören der »Eurofighter« ebenso wie der Kampfpanzer »Leopard«, U-Boote oder Hubschrauber und Artilleriesysteme. »Deutschland hat sehr gute Waffensysteme«, sagte der Herrscher von Katar im Beisein des Kanzlers.
Schröder wirkt noch etwas unschlüssig, wie er mit dem brisanten Thema umgehen soll. Einerseits sagte er seinen Gastgebern auch eine enge Zusammenarbeit »bei der sensiblen Frage der Sicherheit« zu, andererseits weiß er genau, dass es nicht nur mit dem Grünen Koalitionspartner sondern auch mit Teilen der SPD ziemlichen Ärger gebe, wenn er daran gehen sollte, die Exportregeln aufzuweichen.
Vor Mitarbeitern der Kieler Howaldtswerke-Deutsche Werft AG hatte Schröder vor der Abreise deutsche U-Boote als »die besten der Welt« gelobt und hinzugefügt, er sehe es als seine Aufgabe an, »in Konkurrenzsituationen dafür zu sorgen, dass deutsche Produkte auch gekauft werden.«
Wenn der Verkauf der modernsten HDW-Erzeugnisse in die Golf-Regionen am Ende nicht klappen sollte, liegt das aber nicht nur an der Zurückhaltung der Bundesregierung. Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) haben inzwischen mitgeteilt, dass ihnen die geforderten Preise einfach zu hoch sind.

Artikel vom 03.03.2005