03.03.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Hauptverdächtige
bricht Schweigen

Krüppelprozess: Keine Spur vom Geld

Bielefeld (hz). Der so genannte Krüppelprozess vor dem Landgericht geht in die Verlängerung; aller Voraussicht nach wird es nicht fünf, sondern sechs Verhandlungstage geben. Für kommenden Montag - dann sollte eigentlich das Urteil fallen - ist nun geplant, dass Oberstaatsanwalt Rainer Kahnert und die vier Verteidiger der Angeklagten ihre Plädoyers halten.

Grund für die Verzögerung ist die umfangreiche Beweisaufnahme der 2. Großen Strafkammer. Am gestrigen 4. Prozesstag brach die Hauptverdächtige Birgit K. (39) vor der 2. Großen Strafkammer erstmals ihr Schweigen. Allerdings sagte die zuletzt in Schloß Holte-Stukenbrock wohnende und jetzt in der Untersuchungshaft sitzende Frau nicht zu den Anklagevorwürfen aus, wonach sie mit dem Auto den ihr hörigen Heinrich J. (55) zweimal überfahren haben soll, um Unfallversicherungen um 815 000 Euro zu betrügen. Birgit K. nahm nur zu ihrem Lebenslauf Stellung. Die entscheidende Frage, wo der Großteil des verschwundenen Geldes aus dem Betrug geblieben ist, wurde auch gestern nicht geklärt.
Birgit K., die eigenen Angaben zufolge von ihren leiblichen Eltern ausgesetzt und als Kleinkind adoptiert wurde, hat eine mehr als 20-jährige kriminelle Karriere hinter sich. Die gelernte Näherin und dreifache Mutter, die zeitweise als Prostituierte arbeitete, ist bereits wegen Kfz-Aufbrüchen, Raubüberfällen und Scheckbetrug verurteilt worden beziehungsweise bei der Justiz aktenkundig. Ihre erste bekanntgewordene Straftat hatte die heute 39-Jährige im Alter von 18 Jahren begangen. Bisheriger Höhepunkt war eine Verurteilung Ende August 1988 vom Landgericht Bielefeld. Damals kassierte Birgit K. wegen räuberischer Erpressung und Körperverletzung zwei Jahre und vier Monate Haft - sie hatte mit einem Komplizen versucht, bei einem Freier 350 Mark Dirnenlohn einzutreiben.
Allerdings stellte sich die Angeklagte gestern vor Gericht nicht als Täterin, sondern ausschließlich als Opfer dar. Sie sei ihr ganzes Leben lang zu Straftaten gezwungen worden, sagte die Frau, die behauptet, als Kind zehn Jahre lang vom Adoptivvater missbracht worden zu sein. Von 1997 bis etwa zum Jahr 2000 sei sie dann in die Drogensucht abgeglitten, bekannte die 39-Jährige; sie habe Ecstasy, Speed und Kokain konsumiert. Die Antwort, wovon sie alles finanziert habe, blieb Birgit K. schuldig: Nach ihrer Haftentlassung im Jahr 1991 ist sie bis heute keiner geregelten Arbeit nachgegangen.

Artikel vom 03.03.2005