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Zwischen allen Hockern

Unendlicher Rechtsstreit um einen Bauhaus-Klassiker

Düsseldorf/Halle (dpa). Der als »B 9« vertriebene berühmte Bauhaus-Hocker von Marcel Breuer muss einem Gerichtsurteil zufolge in die Schrottpresse. Die niedersächsische Firma Tecta (Lauenförde) darf das schlichte Stahlrohrmöbel nicht mehr verkaufen und muss alle Bestände vernichten.

So jedenfalls entschied gestern das Düsseldorfer Landgericht. Das Unternehmen Knoll International, das das 1925 von Breuer entworfene Modell unter dem Namen »Laccio« vertreibt, habe die älteren Rechte an den Möbeln des Bauhaus-Meisters (1902-1981). Das Urteil (Az.: 12 O 588/03) ist noch nicht rechtskräftig. Tecta kündigte an, in Berufung zu gehen.
Äußerlich unterscheidet nur die Farbe »B 9« von »Laccio«. Der eine war streng weiß, der andere tiefschwarz angeboten worden. Tecta muss dem Richterspruch zufolge sogar alle Gewinne, die aus dem Verkauf von »B 9« und seinem Pendant, dem Tischchen »C 4«, angefallen sind, an Knoll abführen. Die Niedersachsen vermarkten das Möbel seit 1982.
Als Reaktion auf dieses Urteil will jetzt gar die ostdeutsche Firma L.& C. Stendal Metallmöbel GmbH (Sachsen-Anhalt) das gegen sie ergangene Urteil vom 30. April 2002 überprüfen lassen, vermutet ein Fehlurteil. Stendal hatte damals vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf den Prozess um die Hocker-Rechte verloren - gegen Tecta. L.& C. Stendal baut seitdem keine Hocker mehr. Die ostdeutsche Firma hatte damals gehofft, dass die Rechte bei der Bauhaus-Stadt Dessau liegen - und nicht mehr wie bisher von der Bauhaus Archiv GmbH Berlin vergeben werden können.
Sowohl die Bauhaus Archiv GmbH Berlin als auch die Stiftung Bauhaus Dessau will sich zu dem jüngsten Urteil nicht äußern. Dabei hatte die Stiftung noch beim ersten Hocker-Prozess für L. & C. Stendal ein Gutachten geschrieben: Bei dem Hocker handele es sich um einen Gebrauchsgegenstand, frei von Rechten.
Tecta hofft nun auf einen Sieg in der zweiten Instanz vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf, weil die Firma mit dem Berliner Bauhaus Archiv einen Lizenzvertrag abgeschlossen hatte, der auf einer Vereinbarung mit der Witwe Breuers fußt. Knoll konnte dagegen Verträge mit Marcel Breuer persönlich aus den 60er Jahren vorlegen. Damals hatte die italienische Firma Gavina die Hocker-Rechte für 106 000 US-Dollar erworben. Später war Gavina von Knoll übernommen worden.
Tecta-Gesellschafter Axel Bruchhäuser zeigte sich trotz des gestrigen Urteils zuversichtlich: »Gegen L & C Stendal haben wir auch erst in zweiter Instanz gewonnen.« Inzwischen liege ein Schreiben von Gavina vor, wonach die seinerzeit mit Marcel Breuer geschlossenen Verträge nur eine Laufzeit von zehn Jahren hatten.

Artikel vom 03.03.2005