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Unterwegs mit Nomaden

Reportage über eine aussterbende Lebensform

Arte, 19 Uhr: Früher waren die Nomaden in Afghanistan mit ihren Karawanen unverzichtbar für die Versorgung der Bevölkerung mit Fleisch, Fett und Milchprodukten.

Heute sind sie durch Lebensmittelimporte und Hilfslieferungen fast überflüssig geworden. Die Dokumentarfilmerin Ulrike Becker begleitete einen der ältesten Belutschenstämme Zentralasiens auf seiner 30 Tage langen Wanderung vom Winterlager ins Sommerlager. Ihre Reportage »Afghanistan - Unterwegs mit Nomaden« zeigt die Menschen vor einer ungewissen Zukunft.
Mehr als 500 Frauen, Kinder und Männer, 200 Kamele und Tausende von Schafen sind wie in jedem Frühjahr unterwegs vom Winterlager ins Sommerlager. Täglich legt die Karawane gut 20 Kilometer zurück. Die großen Zelte aus Ziegenhaar werden noch vor dem Sonnenaufgang abgebaut, der gesamte Hausrat, Kleinkinder und neugeborenes Vieh werden »verpackt« und auf dem Rücken der Kamele festgezurrt.
Chef der Karawane ist Hadji Shirin. Der 65-Jährige mit seinem Turban, dem langen weißen Bart und einer Reitpeitsche ist immer morgens der Erste, abends der Letzte. Er reitet voraus, um den Lagerplatz für die nächste Nacht auszukundschaften, er bleibt zurück, um sicherzustellen, dass nichts vergessen wurde. Täglich hat er sich mit Erpressungsversuchen von Sesshaften auseinanderzusetzen, und täglich zahlt er Tribut: Wenn die Kamele ein Getreidefeld zertrampeln, ist ein Hammel fällig, muss die Karawane mitten durch ein Dorf ziehen, sind es auch schon einmal drei Schafe oder mehr.
Hadji Shirin weiß nicht, ob er seinen Stamm auch im nächsten Jahr noch einmal zu der Wanderschaft bewegen kann. Immer mehr Familienoberhäupter denken darüber nach, ihr Vieh zu verkaufen und als Tagelöhner an den Rand der Städte zu ziehen. Der Krieg und die fortgesetzten Dürren haben die Karawanen stark geschädigt. Eine für die Völker am Hindukusch urtypische Lebensform vor dem Ende?

Artikel vom 03.03.2005