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Heimspiel - der große Wunsch fürs Halbfinale

100 Jahre und 90 Minuten bis Berlin: Arminia will zum Geburtstag noch einen draufsetzen

Von Friedrich-Wilhelm Kröger
Bielefeld (WB). Es war kein Wintermärchen, sondern ein eisiger Arbeitsabend. Leise rieselte der Schnee, die Temperaturen sackten tief in den Minusbereich. Die äußeren Umstände - hart am Chaos.

»Es war grenzwertig«, stellte später auch Arminia Bielefelds Geschäftsführer Roland Kentsch fest, aber da hatte die Mannschaft für den Verein längst die bisherigen Grenzen gesprengt und den Horizont bis vor die Hauptstadt ausgedehnt: Bald 100 Jahre und nur noch 90 Minuten bis Berlin.
Erst räumten 40 Helfer mit »Schiebung« den Schnee fort, dann schafften die DSC-Profis auch Hansa Rostock aus dem Weg. Und als Schiedsrichter Uwe Kemmling das Pokal-Viertelfinale um 21.18 Uhr abpfiff, durfte Hans-Hermann Schwick endlich jenen Satz sagen, der der schönste sein muss für einen Klubchef - besonders im Jahr des 100. Geburtstages: »Das ist der größte Erfolg in der Vereinsgeschichte.«
Bis einer folgt, der ihn steigert. Die vorläufige Krönung der Chronik ist nah. »Nur noch 90 Minuten bis Berlin«, sagte Trainer Uwe Rapolder nach dem 1:0 gegen den FC Hansa, für das Isaac Boakye in der 54. Minute gesorgt hatte.
Wahrscheinlich fehlt auch nur ein Sieg bis zum Europapokal. Denn wenn die Bielefelder nun auch noch das Halbfinale gegen einen der »dicken Drei« Bayern, Bremen oder Schalke überstehen und der Endspiel-Gegner sowieso schon für die Champions-League qualifiziert ist, dann wären sie auch als finaler Verlierer im Uefa-Cup dabei. So hatte es vor einem Jahr Alemannia Aachen geschafft.
Doch davor stehen zwei Hürden. Zunächst die Auslosung an diesem Sonntag in der ARD-Sportschau, und dann das Spiel am 19. oder 20. April. Beides wird schwer, das erste ist noch nicht einmal beeinflussbar. Nur einen Wunsch äußert Trainer Rapolder schon: »Der Gegner ist mir egal. Aber ein Heimspiel sollte es sein.«
Was immer nun geschieht: Noch nie zuvor brachte Arminia in einer Saison Pflicht und Kür so überzeugend zusammen wie dieses Mal. Der Klassenerhalt ist (fast) geschafft, der Pokaltraum geht weiter, es kommt unvorhergesehenes Geld rein, und Fachleute wie Fans reiben sich die Augen: Diese Bielefelder spielen und siegen. Wo das endet? Auf einem einstelligen Tabellenplatz und im Berliner Olympiastadion vielleicht.
Dabei testet der Trainer auch seine Eignung als Glücksritter. Gegen Nürnberg schickte er Delron Buckley auf den rechten Flügel, den der bis dahin nur vom Hörensagen kannte. Gleich gelang dem Südafrikaner das nächste Tor. Gegen Rostock nahm Rapolder Boakye nach Monaten der Verletzungspause in die Startformation. Der Ghanaer erlöste sein Team mit dem 1:0. »Wir haben uns das am Sonntag überlegt«, berichtete der Trainer, »aber es war ein Risiko, ein kleines Pokerspiel.«
Poker hat auch was mit Glück zu tun, im Stich gelassen mussten sich die Arminen hier zuletzt bestimmt nicht fühlen. Trotzdem war ihnen nicht lange zum Lachen zumute, der Stimmungsumschwung traf sie hart. Dass am Tag nach dem Triumph der Abschied von Ervin Skela bekannt wurde, ist nicht gerade eine erfreuliche Botschaft. Dabei hatte Finanzchef Roland Kentsch noch in Aussicht gestellt, das Zubrot aus dem Pokal versetze den Klub nun in die Lage, in den Verhandlungen den ein oder anderen Euro mehr locker zu machen. Da ahnten die Sieger noch nicht, dass es zwar nicht Rostock gelungen war, ihnen in die Parade zu fahren, wohl aber dem 1. FC Kaiserslautern.

Artikel vom 03.03.2005