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Die verkloppte Klopp-Auswahl

Aufsteiger FSV Mainz: Neun Spiele ohne Sieg und 410 Minuten kein Tor

Von Klaus Lükewille
Mainz (WB). Wolle mer se reilasse? Aber sicher doch. Wer zwei Mal in der zweiten Fußball-Liga so knapp scheitert, der darf im dritten Versuch erstklassig werden. Narhalla-Marsch. Und der FSV Mainz 05 hat in den ersten Oberhaus-Wochen mehrfach gezeigt, dass er nun wirklich kein Karnevalsverein ist.

Allerdings: Die Fassenacht ist längst vorbei, Aschermittwoch-Stimmung herrscht beim FSV schon seit ein paar Monaten. Am 20. November feierten sie ihren letzten Sieg. 1:0 gegen den VfL Bochum. Anschließend gab es in neun Spielen acht Niederlagen und nur ein Pünktchen beim 0:0 gegen Arminia Bielefeld. Mainz, nach dem 2:1 am 8. Spieltag gegen Werder Bremen stolzer Tabellendritter, stürzte auf Rang 15.
»Wir wussten immer, dass es für uns noch schwierig werden würde. Und jetzt ist die Situation da.« Jürgen Klopp (37), der Trainer, der an der Sportschule in Köln nebenbei noch seinen Fußball-Lehrerschein machen muss, sieht die Liga-Lizenz aber nicht gefährdet: »Unsere Aufgabe ist lösbar.«
Die erste Voraussetzung: Am Samstag müssen die Mainzer unbedingt ihr Heimspiel gegen den Keller-Konkurrenten SC Freiburg gewinnen, sonst droht nach dem so verheißungsvollen Saisonstart am Ende doch noch die Bruchlandung am Bruchweg. Ausgerechnet im Jubiläumsjahr, denn am 16. März wird der FSV runde 100. Darum fordert Klopp: »Unser Stadion muss brennen. Das wird für uns das wichtigste Spiel der Saison.«
Für den Trainer und seine Mainzer ist die Situation völlig neu. Drei Jahre lang kickten sie immer nur um den Aufstieg, jetzt kämpfen sie gegen den Abstieg.
Eine Umstellung und eine andere Einstellung sind da gefordert, wobei Klopp in den Punkten Engagement, Einsatz und Moral bisher keine Mängel entdecken kann: »Da stimmt alles.«
Was nicht mehr passt: Aus der Unbefangenheit der ersten Spiele ist Unsicherheit geworden, das einst so große Selbstvertrauen schrumpft mit jeder Niederlage immer ein Stückchen mehr.
Wie zuletzt in Dortmund. Beim bitteren 0:3. Nachher boten sie Klopp ein Pils an, der lehnte dankend ab. Er hatte am Rasenrand schon genug schlucken müssen und stellte nüchtern fest: »Wenn wir so weitermachen, dann gewinnen wir kein Spiel mehr.«
Seine Mainzer, schon wieder verkloppt. Und wenn er dann Woche für Woche mit ansehen muss, wie sie Punkte verlieren - da könnte Klopp »bekloppt« werden. Denn: »Die Mannschaft hat doch schon gezeigt, dass sie zu Recht in dieser Klasse spielt.« Und inzwischen ist der Coach sauer über die Berichterstattung: »Zuerst galten wir als der absolut chancenlose Außenseiter, dann als die lustige Sensationself. Und jetzt scheinen sich einige Herren richtig zu freuen, wenn sich ihre miesen Prognosen bestätigen sollten.«
Dabei kann sich Klopp eigentlich nicht beklagen. Er wurde und wird immer wieder gefragt - und gibt auch zu gern Auskunft. Ein Aufsteiger. Ein Medien-Liebling. Der Star des Vereins. Denn wer kennt schon Spieler wie Teinert, Rose, Noveski, Abel oder Jovanovic? Aber Klopp, der wurde längst zum Mainzer Markenzeichen.
Wie die Fassenacht. Nur: Lustig ist Liga-Lage des FSV nicht mehr. Die Angst geht um. Wolle mer se rauslasse? Kein Helau. Kein Narhalla-Marsch. Und kein Tor. Seit 410 Minuten trafen die Mainzer nicht mehr ins Schwarze. Klopp versteckte die Kritik an der latenten Abschlussschwäche in den ironischen Satz: »Die Wahrscheinlichkeit, dass wir einen Treffer erzielen, erhöht sich sofort dramatisch, wenn wir endlich mal wieder auf die Kiste knallen.«
Also Feuer frei zum »Freischießen« gegen Freiburg. Es müssen ja nicht gleich sieben auf einen Streich sein. Wie es die Bayern im Pokal vorgemacht haben. Ein 1:0 reicht schon. Endlich mal wieder drei Punkte. Denn Klopp glaubt an die Truppe. Ganz fest.
Sein Dreisatz: »Wir können. Wir werden. Wir müssen.«

Artikel vom 05.03.2005