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Das erste EKG für Ungeborene

Gerät soll Zahl der Kaiserschnitte senken und Geburten sicherer machen

Von Christian Althoff
Bielefeld (WB). Als erste Geburtsklinik Ostwestfalen-Lippes setzt das Bielefelder Krankenhaus Gilead ein EKG-Gerät ein, mit dem die Herzfunktion des ungeborenen Babys überwacht werden kann. »Wir wollen damit die Kaiserschnittrate senken und Geburten noch sicherer machen«, sagte gestern Chefarzt Dr. Andreas Luttkus.
Carolin Husemann aus Enger-Pödinghausen (Kreis Herford) freut sich mit Chefarzt Dr. Andreas Luttkus über ihre Zwillinge Lea und Hannes, die heute elf Tage alt werden. Neben dem Bett steht das Baby-EKG-Gerät, das der Arzt allerdings bei den Zwillingen nicht einsetzen musste. Foto: Althoff

An der Decke des Kreißsaals hängt eine Schaukel zur Entspannung der Mütter, der Blick durchs Fenster geht auf die Sparrenburg, und aus einem CD-Spieler kommt leise, sanfte Musik. »Wer bei uns entbindet, soll sich wohlfühlen«, sagt der Chefarzt. 1450 Frauen haben hier im vergangenen Jahr ihr Kind bekommen. Damit ist das Perinatalzentrum nach dem Paderborner St. Vincenz-Krankenhaus (1711 Wöchnerinnen) die zweitgrößte Klinik ihrer Art in Ostwestfalen-Lippe.
Während die Mütter eine sanfte Geburt erleben sollen, sorgt die Technik im Hintergrund für eine möglichst sichere Entbindung. Üblich ist, dass während der Geburt die Wehentätigkeit der Mutter und der Pulsschlag des Kindes mit Hilfe der Kardiotokographie (»Wehenschreiber«) überwacht werden. »Wenn das Gerät eine Veränderung der Herztonkurve anzeigt, kann das ein Hinweis auf einen Sauerstoffmangel sein, muss es aber nicht«, sagt Andreas Luttkus. Im Zweifelsfall werde dann in vielen Kliniken ein Kaiserschnitt durchgeführt. Dieser sei nicht aber problemlos. »Denn ein Kaiserschnitt birgt immer Risiken, wie etwa Infektions- oder Trombosegefahren. Außerdem werden folgende Schwangerschaften zu Risikoschwangerschaften, weil sich die Narbe öffnen kann.« Deshalb soll das neue Baby-EKG-Gerät künftig manchen Kaiserschnitt überflüssig machen. Dazu wird eine Elektrode an den Oberschenkel der Frau gelegt, die zweite wird durch den Muttermund geführt und je nach Lage am Köpfchen oder Steiss des ungeborenen Kindes befestigt. Dr. Luttkus: »Anhand der Kurven, die uns das Gerät auf seinem Bildschirm anzeigt, können wir erkennen, ob Sauerstoffmangel zum Sinken des Baby-Pulses führt, oder ob es eine andere Ursache wie etwa eine starke Wehe gibt und wir uns um die Sauerstoffversorgung keine Sorgen zu machen brauchen.«
Eine schwedische Studie mit 4500 Schwangeren habe gezeigt, dass bei Einsatz des 15 000 Euro teuren Baby-EKGs die Zahl der Kaiserschnitt-, Zangen- oder Saugglockengeburten um die Hälfte reduziert werden konnte, weil die Ärzte und Hebammen den Zustand des Kindes besser einschätzen konnten.
Im vergangenen Jahr kam in Bethel jedes fünfte Kind per Schnitt zur Welt. Diese Quote will der Chefarzt mit Einsatz des neuen Gerätes »deutlich senken«. Derzeit werden die Mitarbeiter der Geburtsklinik an dem neuen Baby-EKG-Gerät geschult. Am Samstag findet zudem in Bielefeld ein Symposium mit internationaler Beteiligung statt, auf dem sich Ärzte und Hebammen aus Ostwestfalen-Lippe informieren können und die schwedische Studie vorgestellt wird. Interessenten können sich unter der Nummer 0521/1 44 23 40 anmelden.

Artikel vom 03.03.2005