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»Der erste Schuss muss sitzen«

Ohne klare Strategie, Visitenkarten und Geduld kein Erfolg in China

Von Dietmar Kemper
Bielefeld (WB). Wenn Unternehmer aus Ostwestfalen-Lippe am 4. April nach China fliegen, dürfen sie eines auf keinen Fall vergessen: Visitenkarten. Ohne werde man im Reich der Mitte nicht wahrgenommen, mahnte gestern der Geschäftsführer der Fachhochschule des Mittelstands (FHM) in Bielefeld, Richard Merk.

Die hierarchieversessenen Chinesen wollten sofort wissen, welchen Status ihr Gast besitze. Beim »1. Deutsch-Chinesischen Mittelstandsforum« ließen sich Unternehmer aus ganz Deutschland über Chancen und Risiken eines Engagements in der am stärksten wachsenden Volkswirtschaft Asiens informieren. Handelsbeziehungen seien gleichermaßen lukrativ wie schwierig, bremste der Regierungsdirektor im Bundeswirtschaftsministerium, Lutz Werner, voreilige Euphorie.
Chinas Wirtschaft habe in den letzten 20 Jahren alle zwölf Monate um mindestens sieben Prozent zugelegt; die deutschen Exporte hätten mittlerweile einen Umfang von fast 21 Milliarden Euro erreicht. Das deutsche Handelsvolumen mit China sei inzwischen größer als das von Frankreich und Großbritannien zusammen, rechnete Werner vor. Weil China Maschinen brauche, ergäben sich für mittelständische Zulieferer in Deutschland gute Chancen.
Allerdings sollten sich solche Unternehmen an die Großkonzerne dranhängen, die wie Siemens oder die Riege der Autobauer schon länger im Reich der Mitte tätig sind und ihren Einfluss ausweiten. »Weil kleinere Firmen sich keine Fehlinvestitionen leisten können, muss der erste Schuss sitzen«, mahnte der Asien-Experte der Außenwirtschaftlichen Abteilung »exzellente Vorbereitung« an. Von Vertrauensseligkeit riet er ab, denn mit dem Schutz geistigen Eigentums nähmen es die Chinesen nicht so genau: »Wenn es um technologisches Know-how geht, sind sie Meister im Abkupfern.«
Als problematisch für die Handelsbeziehungen bewertete Werner außerdem die große Entfernung, die Sprache, die kulturellen Unterschiede und die fehlenden Erfahrungen, weil der deutsche Mittelstand in China bislang kaum vertreten ist. Über schier unglaubliche Wachstumszahlen berichtete Ding Dagang, der Repräsentant der Unternehmen der Jiangsu-Provinz mit der Hauptstadt Nanjing. Obwohl die Küstenprovinz nur 5,8 Prozent der Gesamtbevölkerung und ein Prozent der Fläche ausmache, betrage ihr Anteil am chinesischen Bruttoinlandsprodukt 11,3 Prozent. Jiangsus Außenhandel mit Deutschland sei im vergangenen Jahr um 56,2 Prozent hochgeschnellt.
Ding Dagang widersprach dem Klischee, in China werde nur billige Massenware wie Spielzeug und Bekleidung hergestellt. Bei den Industriesektoren habe Elektronik inzwischen den Bereich Textil überflügelt. In der aufstrebenden Provinz sind bereits zwei OWL-Unternehmen aktiv: Phoenix (Blomberg) und Schieder (Schieder-Schwalenberg). Im April eröffnet die Fachhochschule des Mittelstands mit der dortigen Universität in Suzhou ein Deutsch-Chinesisches Mittelstands-Institut (DCMI). Bis alles unter Dach und Fach war, musste FHM-Geschäftsführer Merk lange warten. Den Unternehmern gab er deswegen mit auf den Weg: »Im China-Geschäft sind Zeit und Gelassenheit notwendig.«

Artikel vom 03.03.2005