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Die Heimatstadt
lieh den Namen
für die Karriere
Schauspieler Ralph Herforth hat ostwestfälische Wurzeln
»Es berührt mich immer wieder, hierher zu kommen«, lässt Ralph Herforth den Blick über den Neuen Markt seiner Heimatstadt schweifen. Sie hat dem am 15. Januar 1960 geborenen Ralph Schwachmeier den (leicht veränderten) Künstlernamen geliehen - zu Beginn seiner Karriere die Idee eines Intendanten. Unter diesem Namen ist er mittlerweile im ganzen deutschsprachigen Raum bekannt und gefragt. Selten hat er deshalb Zeit zu einem Besuch bei seinen Eltern, zu einem Spaziergang am Stuckenberg oder durch den Schweichelner Wald.
Vom »Traumschiff« bis zum »Blut der Templer« - der Charakterkopf passt in alle Formate und ist als Darsteller in Werbespots (VW, DHL) schon eine eigenständige Marke. »Zur Zeit läuft's beruflich ganz gut«, übt er sich vornehm in Understatement. So stand Herforth im vergangenen Jahr unter anderem mit Oskar-Preisträgerin Charlize Theron für den Science-fiction-Streifen »Aeon flux« in Berlin und Babelsberg vor der Kamera (Regie: Karyn Kusama). Derzeit dreht er für SAT1. In der neuen Serie »Bis in die Spitzen«, eine Adaption der erfolgreichen BBC-Serie »Cutting it«, wird er in der männlichen Hauptrolle zu sehen sein.
Privat nimmt er aus anderen Gründen gerade eine Auszeit. »Ich war Anfang des Jahres vier Wochen in Madagaskar, um meine Seele zu pflegen.« Nach der Trennung von Kollegin Zora Holt (»Klinikum Berlin-Mitte«) ordnet er sein Leben neu, lenkt sich durch Arbeiten an seinem Haus ab. Herforth wohnt in der ehemaligen Datscha von Günther Schabowski an einem See bei Neuruppin. »Ursprünglich wurde die mal für Politbüromitglied Hermann Axen gebaut.« Im nahen Berlin leben Herforths Söhne Malik (12) und Marlon (7) bei ihren Müttern. Die Kinder sind eine wichtige Konstante in seinem Leben, ein echter Familienmensch ist Herforth dennoch nicht. »Ich habe einen großen Drang nach Unabhängigkeit, das ist auch das Problem in meinen Beziehungen.«
Dieser Drang nach Freiheit und Selbstbestimmung hat den eigenwilligen und starken Charakter - Herforth bezeichnet sich selbst auch mal als Egozentriker - jedoch weit gebracht. »Ich bin in meinem Leben viel herumgekommen«, sagt der aus sehr bescheidenen Verhältnissen stammende Herforder. Nicht umsonst ist eines seiner Lieblingsbücher Astrid Lindgrens »Rasmus und der Landstreicher«, sein romantischer Jugendtraum von einem aufregenden Leben »da draußen«. »Bei der Schauspielerei bin ich auf diesem Weg aber nur per Zufall gelandet.«
Landung ist gut: Eine echte Bruchlandung führte ihn ins professionelle Mimen-Fach. Nach Hauptschulabschluss und einer Lehre zum Industriekaufmann war Herforth als 19-Jähriger in einer alten Citroën-Ente eigentlich zum Drachenfliegen nach Südfrankreich gefahren. »Da habe ich jemanden kennen gelernt, der in Salzburg ein Musical-Seminar anbot. Kurze Zeit später hatte ich mit dem Drachen eine Bruchlandung, und auch das Auto war kaputt, da bin ich dann einfach mal nach Österreich gefahren.«
Was folgte war seine erste Vorsprechrolle, gleich beim berühmten Max Reinhardt-Seminar in Wien. Dort studierte er drei Jahre, um dann zum renommierten Schillertheater nach Berlin zu wechseln, wo er sofort als »Othello« auf der Bühne stand - für andere das Ziel, für ihn der Start zu einer Bilderbuchkarriere. Es folgten unter anderem die Schauspielhäuser in Wien und Düsseldorf. Den »Othello«, den würde er gerne mal wieder geben. »Das ist meine Lieblingsrolle. Aber fürs Theater habe ich momentan keine Zeit.« Schließlich ist er erfolgreich dabei, den Film-Mimen Ralph Herforth aus einem Genre zu befreien: »Es hat schon etwas gedauert, bis ich endlich mal von diesen Gewalttäter- und Kriminellen-Rollen losgekommen bin.«
Denn Herforth hat viel mehr drauf. Ihm scheint im Blut zu liegen, was einen guten Schauspieler ausmacht: »Er muss Charakter haben, aus Wahrhaftigkeit spielen und nicht immer am Text kleben.« Dieser Kompromisslosigkeit bleibt er vor allem bei Ausflügen in weniger einträgliche und publikumswirksame Projekte treu. In Dominik Grafs Film »Der Felsen« (2002), bei uns nur in Programmkinos zu sehen, brillierte er in der Rolle des Chefs und Liebhabers, der sich abrupt von seiner Angestellten/Freundin trennt. Vielleicht auch ein bisschen Ralph Herforth selbst...
Doch auch im »leichten« Fach ist er mittlerweile erste Wahl - spätestens wer ihn als schusseligen Assistenten des Kriminalkommissars Schneider (Leonard Lansink) in »Knockin on heavens door« gesehen hat, weiß, welche Qualitäten der Mann in diesem Genre hat.
Andere zum Lachen zu bringen, darin versteht sich Herforth - besonders bei Frauen. »Ja, es ist schon richtig, dass ich eine besondere Ausstrahlung auf Frauen habe.« Nach kurzem Überlegen weiß er auch um das Geheimnis seine Erfolges: »Ich habe Frauen immer zum Lachen gebracht. Ich glaube, das ist das Wichtigste. Das war aber schon immer so, nicht erst, seitdem ich als Schauspieler bekannt bin.«
Die wachsende Popularität nimmt er dennoch gern in Kauf. »Natürlich gefällt es mir, wenn ich in der Öffentlichkeit erkannt werde. Dieses Streben nach Bekanntheit hat für einen Schauspieler auch was mit Bedürftigkeit zu tun.«
Ansonsten ist er in der Branche weniger zu Hause: »Ich habe kaum Freunde, die Schauspieler sind.« Und auch das internationale Parkett hat für Herforth, der schon mit Claudia Cardinale und Franco Nero drehte, nur wenig Anziehungskraft. »Wenn ich für ein interessantes Projekt angefragt werde, würde ich natürlich nicht nein sagen. Aber ich gehe jetzt nicht in Hollywood Klinken putzen, damit ich da mal eine kleine Rolle kriege.«
Da ist er wieder, der geradlinige, eigenständige Ralph Herforth: Ob es da wohl ein Zufall ist, dass er sich sogar von seinem Zwillingsbruder Jürgen unterscheidet, der als Altenpfleger und Maler in Hamburg lebt? »Der sieht mir überhaupt nicht ähnlich und ist über 1,90 Meter groß. Ich bin nur 1,74.«
Bernd Bexte

Artikel vom 02.04.2005