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Luxushotel auf Hitlers Berg

Direktor Jörg Böckeler aus Gütersloh eröffnet heute das Interconti

Von Dietmar Kemper
und Wolfgang Wotke
Berchtesgaden/Gütersloh (WB). Bibeln haben in Hotels Tradition. Das Fünf-Sterne-Luxushotel auf dem Obersalzberg wartet dagegen für die Gäste mit einer ungewöhnlichen Lektüre auf: »Die tödliche Utopie: Bilder, Texte, Dokumente, Daten zum Dritten Reich«.

Diese 600 Seiten dicke Aufarbeitung der Spuren, die der »Führer« Adolf Hitler und seine Helfer in der Bergwelt bei Berchtesgaden hinterließen, lässt Jörg Böckeler in allen 138 Zimmern auslegen. Der 38-Jährige aus Gütersloh ist Generaldirektor des wohl umstrittensten Hotels in Deutschland. Ist es nicht geschmacklos, wenn die Reichen der Welt nur einen Steinwurf von Hitlers Feriendomizil entfernt den Panorama-Blick genießen?
»Wir haben Erfahrung mit schwierigen Standorten«, beruhigt Böckeler und verspricht, alles zu vermeiden, um das Interconti zur Wallfahrtsstätte Ewiggestriger werden zu lassen. Die Mitarbeiter würden so geschult, dass »sie kompetent über Ort und Historie Auskunft geben können«. Deutschtümelnde Angestellte bekämen die Papiere, und die Hoteluniform weise selbstverständlich keine Ähnlichkeiten zu den Braunhemden der Nazis auf.
Böckeler habe immer ein Hotel leiten wollen, erzählte seine Mutter dieser Zeitung. Der zielstrebige Mann lernte in der Nobeladresse »Traube Tonbach« im Schwarzwald, studierte in Oxford Hotelfach und war in den letzten Jahren Hausdirektor im Interconti Wien und Frankfurt. Auf dem Obersalzberg stattet der mit einer Deutsch-Amerikanerin verheiratete Chef die Zimmer mit Möbeln von Interlübke aus Rheda-Wiedenbrück aus. Billig ist der Aufenthalt in der Nobelherberge mit Golfplatz nicht: Je nach Zimmer oder Suite werden 200 bis 2500 Euro fällig.
Ganz in der Nähe des Hotelkomplexes, in einem ehemaligen Gästehaus der Nazis, hatte das Münchener »Institut für Zeitgeschichte« am 20. Oktober 1999 ein Dokumentationszentrum eingerichtet. Die gut 500 000 Menschen, die es bislang besucht haben, wissen, dass der Obersalzberg seit 1943 vom Feriendomizil zur Machtzentrale ausgebaut wurde, dort Hermann Göring, Albert Speer und Martin Bormann ein- und ausgingen und hier nach Hitlers Worten »alle meine großen Pläne entstanden«.
Darf dort angesichts der weitreichenden politischen Bedeutung also kein Luxushotel stehen? »Dokumentationszentren leben von Besuchern, das Hotel könnte für mehr Gäste sorgen«, meint Werner Busch aus Schloß Holte-Stukenbrock. Er betreut das Dokumentationszentrum »Stalag 326« in Stukenbrock-Senne, das an die im Zweiten Weltkrieg umgekommenen russischen Soldaten erinnert.
Busch hätte es besser gefunden, wenn auf dem Obersalzberg eine Jugendherberge angesiedelt worden wäre, so wie bei der ehemaligen SS-Kultstätte Wewelsburg. Weil Hitler auf dem Obersalzberg immer in den Köpfen herumspuken werde, müsse der Generaldirektor zwangsläufig auf die Geschichte hinweisen. Unberührbar sei der Berg allerdings nicht, meint Busch und schlägt den Bogen von Berchtesgaden nach Stukenbrock: »Die Polizeischule auf dem Gelände des ehemaligen Stalag zeigt, wie aus Gewaltherrschaft eine friedliche Nutzung werden kann.«

Artikel vom 01.03.2005