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Zurück zur reinen Kochkunst
Achim Schwekendiek über Experimente mit Geschmack und Dekoration
Filet von der Rotbarbe, Lamm mit Bohnen, Schokoladenkuchen - das klingt bodenständig und unspektakulär. Doch Achim Schwekendiek (39), der junge Chefkoch im »Schlosshotel Münchhausen« bei Hameln, zelebriert daraus ein Fest für Gourmets. Mit ihm sprach Thomas Albertsen.
Warum so betont einfach, Herr Schwekendiek? Muss man heute als »jeune restaurateur« in der Küche nicht mehr den »jungen Wilden« spielen? Schwekendiek: Heute steht wieder mehr die Kochkunst und weniger die Show im Vordergrund. Verspielte Dekoration und Geschmacks-Experimente sind rückläufig.

Ist das in Zeiten von Erlebnisgastronomie und offenen Schauküchen nicht ein Risiko, gegen den Trend zu schwimmen?Schwekendiek: Mode kommt, Mode geht, nur Qualität besteht. Das erstklassige Produkt muss im Vordergrund stehen. Und was hat der Gast davon, wenn ich ihn von der Qualität ablenke? Meine Zielgruppe sind die 20 Prozent der Gourmets, die eben diese Qualität erkennen und würdigen. Was der prominente Kollege Dieter Müller beispielsweise kocht, sieht zwar hervorragend aus, aber mir schmeckt es nicht besonders. Aber er hat natürlich auch seine Fans...

Wieviel von seiner eigenen Persönichkeit darf ein Koch in seine Gerichte einbringen?Schwekendiek: Darf? Er muss, er sollte eine Menge davon einbringen. Ich koche immer auch für mich selbst, nämlich das, was ich auch mit Genuss essen würde. Wenn ich zum Beispiel Heißhunger auf Nudeln habe, dann kann der aufmerksame Gast dies an der Tageskarte erkennen. Der Gast sollte merken, ob ein Koch mit Liebe arbeitet.

Sie sehen also Widersprüche zwischen Qualität und Kreativität?Schwekendiek: Ja, die gibt es. Nehmen Sie zum Beispiel Harald Wohlfahrt, der anerkannt beste Koch in Deutschland. Er ist ein kompromissloser Pedant. Seine Schüler sind oft leicht zu identifizieren: Sie legen die gleiche akribische Arbeitsweise an den Tag und bieten perfekte kreative Optik. Aber sie nutzen ihr Potenzial dennoch zu wenig, weil sie Kompromisse bei der Qualität eingehen.

Wie wichtig ist der regionale Bezug?Schwekendiek: Er wird immer wichtiger! Natürlich haben exotische Produkte und Zutaten ihre Berechtigung, besonders im mitteleuropäischen Winter, wenn die Vielfalt an einheimischen frischen Produkten etwas eingegrenzt ist. Aber wenn beispielsweise ein Franzose asiatisch kocht, dann ist es immer noch als französische Küche zu erkennen. Und mit dieser Arbeitsweise kann ich mich voll identifizieren.

Wie wichtig sind »Randfaktoren« wie die Lage des Restaurants oder die Auszeichnung mit einem Michelin-Stern?Schwekendiek: 80 Prozent der Gourmet-Tempel liegen abseits der Großstädte. Nehmen Sie das Beispiel Hannover: Gastronomisch ist die Stadt nur noch Durchschnitt. Die Spitzenköche arbeiten draußen auf dem Land. Und die Michelin-Sterne sind selbstverständlich nicht an Großstädte gebunden. Ich weiß, dass viele gute Kollegen nicht unbedingt nach dem berühmten Stern streben. Aber als Marketinginstrument für ein Hotel mit Gourmet-Restaurant ist die Wirkung nicht zu unterschätzen.

Artikel vom 05.03.2005