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Mann will das Leben
tiefer ausschöpfen

Dorsts »Wüste« in Dortmund uraufgeführt


Dortmund (dpa). Der Schlussbeifall für Tankred Dorsts »Wüste« klang bei der Uraufführung im Schauspielhaus am Samstagabend eher höflich und respektvoll als begeistert. Dorst war aus Bayreuth nach Dortmund gekommen, nahm aber nicht gemeinsam mit dem Ensemble den Applaus entgegen.
Der Büchnerpreisträger ließ sich zu seinem Drama von der Biografie eines jungen französischen Aristokraten anregen, der Anfang des vergangenen Jahrhunderts lebte. Charles de Foucauld ist vom Leben als Offizier in Nordafrika angewidert, er bricht die Disziplin, wird entlassen, findet aber auch in den Salons von Paris wenig mehr als Oberflächlichkeit. Offenbar vom Willen beseelt, das Leben tiefer auszuschöpfen, verlässt er seine Herrenrolle, identifiziert sich mit den unterworfenen Erniedrigten und Beleidigten, und geht in die Wüste, um dort in der Askese Erleuchtung zu suchen.
Hermann Schmidt-Rahmer entfernt sich bei seiner Uraufführungsinszenierung weit vom Originaltext. Während der Autor das Schauspiel sozial und zeitlich genau festgelegt, neigt der Regisseur zur Abstraktion. Das Rätselhafte erscheint überbetont. Während Dorst dem Zuschauer Brücken zum Verständnis seiner collagierten Szenen baut, reißt der Regisseur eben diese zu oft wieder ein.
Trotz unübersehbarer Verzeichnungen bei der Uraufführungsinszenierung blieb deutlich: Dorst ist auf der Höhe seines Schaffens, »Die Wüste« ein Meisterwerk voller Altersweisheit, Nachdenklichkeit, Skepsis und Humor.

Artikel vom 28.02.2005